
„Germanische Medizin“
Warnung vor „brauner Esoterik“
Rechtsextreme Gruppen nutzen spirituelle Angebote als Türöffner für ihre Ideologie. Beratungsstellen helfen Kommunen und Bürgern. Die Entwicklung hat mit der Pandemie zu tun, sagen Experten.
Von Clara Stritzinger Dienstag, 04.03.2025, 11:02 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.03.2025, 8:35 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der hessische Verfassungsschutz warnt vor einer bedenklichen Allianz: rechte Kreise und spirituelle Gruppen vermischen sich. „Esoterische Glaubenssysteme werden genutzt, um pseudoreligiöse Rechtfertigungen für rassistische, antisemitische und völkische Narrative zu schaffen“, berichtet das Landesamt für Verfassungsschutz. Besonders problematisch sei, dass rechtsextreme Akteure oder die Reichsbürger-Szene Esoterik als Türöffner für neue Rekrutierungsmöglichkeiten nutzten.
Reiner Becker, Leiter des Demokratiezentrums Hessen, glaubt, dass die Entwicklung eine Folge der Corona-Pandemie sei: „Das Widerstandsnarrativ hat geeint.“ Die Skepsis gegenüber der Wissenschaft, insbesondere der modernen Medizin, habe dazu geführt, dass einige Esoterik-Anhänger in rechte Gruppierungen abgerutscht seien.
„Germanische Neue Medizin“ und „Anastasia“-Bewegung
Zwei Bewegungen sind aus Sicht des Demokratiezentrums in Hessen besonders aktiv: Die „Germanische Neue Medizin“ propagiere eine rassistische Pseudotherapie gegen Krebs. Plakate lockten mit Slogans wie „Krebs heilen“ Interessenten an.
Die „Anastasia-Bewegung“ werbe für eine völkisch-esoterische Lebensweise auf sogenannten „Familienlandsitzen“. Diese Bewegung verknüpfe Verschwörungsglauben mit Antimodernismus und sei in ihrer Ideologie antisemitisch geprägt, sagt Becker.
„Die Veranstaltungen wirken unverfänglich, doch oft steckt eine radikale Ideologie dahinter“, warnt Becker. In Nordhessen seien zwei Familienlandsitze der Anastasia-Bewegung bekannt. Die Gruppierung etwa habe in den letzten 10 bis 15 Jahren an Einfluss gewonnen, sagt Mona Schwarz vom Mobilen Beratungsteam Hessen.
Rechtes Gedankengut zunächst unterschwellig
Von „brauner Esoterik“ spricht Schwarz, wenn Esoterik durch rechte Narrative wie Rassenlehre, Wissenschaftsleugnung und Verschwörungsideologien ergänzt werde. Seit der Corona-Pandemie habe sie einen starken Aufschwung der rechten Esoterikszene erlebt. „Reichsbürger in esoterischen Settings sind ein normales Bild geworden“, sagt sie.
„Viele Anhänger widersprechen immer wieder, dass ihre Bewegung antisemitisch oder rassistisch sei“, erklärt Schwarz. „Rechtes Gedankengut wird zunächst unterschwellig vermittelt und dann immer deutlicher.“ Es sei wichtig, die scheinbar harmlosen Ideologien sichtbar zu machen und frühzeitig dagegen vorzugehen.
Viele Kommunen verkennen Gefahr
Sowohl das Demokratiezentrum Hessen als auch die Mobile Beratung unterstützen Bürger und Kommunen im Umgang mit rechtsextremen Gruppen. „Oft sind die Ideologien aber erst auf den zweiten Blick erkennbar“, sagt Becker. Viele Kommunen seien sich der Gefahr nicht bewusst.
Eine häufige Frage sei: „Wie können wir die Vermietung von Räumen verhindern?“ Sowohl die „Germanische Neue Medizin“ als auch die „Anastasia“-Bewegung sind beim Demokratiezentrum regelmäßig Gegenstand von Beratungsgesprächen – auch wenn die Fallzahlen gering sind.
Auch Familien nutzen die Beratung, etwa wenn durch rechten Einfluss Spaltungen innerhalb von Familien entstehen. Wissenschaftler nehmen die Beratung wahr, wenn sie angefeindet oder persönlich bedroht werden. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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