
Staatsanwaltschaft
Deutlich mehr antisemitische Straftaten in Berlin
Juden sind häufig Hetze und Diffamierungen ausgesetzt. Mit dem Israel-Gaza Krieg hat sich die Situation deutlich verschärft. Ein Leitfaden zur Verfolgung antisemitischer Straftaten soll helfen.
Sonntag, 16.03.2025, 11:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.03.2025, 11:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Zahl antisemitischer Straftaten in Berlin ist nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 756 Fälle registriert (2023: 586), wie der Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft, Florian Hengst, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Hinzu kämen 4.096 Fälle, die 2024 im Kontext mit dem Nahost-Konflikt stehen und bei denen häufig zumindest der Verdacht besteht, dass ein antisemitischer Hintergrund vorliegt.
Eine Zäsur sieht der Antisemitismusbeauftragte in dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Darauf reagierte Israel mit einem militärischen Gegenschlag, der bislang weit mehr als 42.000 Menschen das Leben gekostet hat, etwa 97 000 Menschen wurden verletzt – die meisten Opfer sind Zivilisten. Israel wird vorgeworfen, einen Völkermord zu begehen. Gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und weiterer Regierungsmitglieder hat das Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl erlassen wegen möglicher Kriegsverbrechen.
Seit Ausbruch dieses Krieges ist eine deutliche Zunahme von Verfahren zu bemerken. Das werde laut dem Beauftragten besonders deutlich bei den Zahlen zu Fällen, die im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt stehen. Im Jahr 2023 habe es noch 158 solcher Verfahren gegeben.
Mehr Straftaten mit Israelbezug
Einen deutlichen Anstieg gibt es laut Hengst bei antisemitischen Straftaten mit Israelbezug. Bei einem Großteil der Delikte gehe es um Delikte wie Volksverhetzungen, Sachbeschädigungen wie antijüdische oder antiisraelische Schmierereien oder Beleidigungen. Es gebe aber auch vermehrt Bedrohungen, Beleidigungen und Körperverletzungen, erklärte der Jurist.
Für Jüdinnen und Juden in Berlin stelle der Terrorangriff einen „tiefen Einschnitt“ dar, sagte Hengst. Es gebe zum Teil eine große Sorge, selbst Opfer einer antisemitischen Straftat zu werden, berichtete er von Gesprächen mit der Community. Es gebe Menschen, die seitdem bewusst darauf verzichteten, sichtbar Symbole ihres Glaubens zu tragen.
„Das ist verständlich. Aber aus Sicht des Strafverfolgers ist es eine besorgniserregende Entwicklung“, so Hengst. Es gebe aber auch Menschen, die eher nach dem Motto „Jetzt erst recht“ handelten.
Hengst: Mit Klarheit gegen Straftaten vorgehen
Deswegen sei ein klares Zeichen von den Strafverfolgungsbehörden umso wichtiger. „Wir müssen mit aller Klarheit und Konsequenz gegen antisemitische Straftaten vorgehen – und das tun wir auch“, betonte Hengst.
Helfen soll dabei der „Leitfaden zur Verfolgung antisemitischer Straftaten in Berlin“, den Polizei und Staatsanwaltschaft kürzlich in aktualisierter Form veröffentlicht haben. Dieser nennt zahlreiche Beispiele von Antisemitismus wie Aufrufe zum Kampf gegen Juden, stereotype Anschuldigungen, Mythen über eine angebliche jüdische Weltverschwörung, die Holocaustleugnung oder die kollektive Zuschreibung der Verantwortung von Juden für die Politik Israels.
Hilfestellung durch Leitfaden
„Dazu gibt es erste positive Rückmeldungen“, schilderte der Antisemitismusbeauftragte. Der Leitfaden erhebe aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er soll für das Thema sensibilisieren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Polizei und Staatsanwaltschaft eine praxisnahe Handlungsempfehlung für die Verfolgung antisemitischer Straftaten geben.
Hilfreich bei der Verfolgung antisemitischer Straftaten ist aus Sicht des Staatsanwalts auch eine Entscheidung des Landgerichts Berlin zu der Parole „From the river to the sea“. Die Staatsschutzkammer wertete diese als Kennzeichen der Hamas und verurteilte eine Frau für die Verbreitung der Parole wegen Verwendens von Kennzeichen terroristischer Organisationen zu einer Geldstrafe. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Anders als von einigen Juristen erhofft, landete es damit nicht vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Bislang bewerten Strafgerichte die Parole unterschiedlich. Das Urteil war die erste Entscheidung eines Landgerichts in dem Kontext. (dpa/mig) Aktuell Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Keine Strafe für CDU-Mann „Wir füttern sie durch… Dieses Pack muss raus…
- Gutschein gegen Bargeld Immer mehr Tauschbörsen gegen die Bezahlkarte für…
- Korrektur Polizei: Rassistische Tat gegen Mutter mit Baby war erfunden
- Wende im Prozess War Brandanschlag in Solingen doch rechtsradikal motiviert?
- Lagebericht Ausnahmezustand an deutschen Hochschulen für Juden
- Polizei sucht Zeugen Rassistische Attacke: Mann tritt auf Mutter mit Baby ein