
Protest ohne Konsequenzen
Rechtsruck trotz Widerstand
Nach der Union-AfD-Kooperation im Bundestag protestierten Hunderttausende auf deutschen Straßen gegen den Rechtsruck. Doch sowohl Wahlergebnisse als auch die aktuelle Situation zeigen ein anderes Bild.
Von Tara Rezaie Farmand Dienstag, 18.03.2025, 12:53 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.03.2025, 12:54 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Enthüllung der Remigrationspläne im Januar 2024 hat eine Protestwelle mit Millionen Menschen auf deutschen Straßen ausgelöst. Ein Jahr später setzten die Unionsparteien bewusst auf die Stimmen der AfD, um ihrem sogenannten „Zustrombegrenzungsgesetz“ im Bundestag eine Mehrheit zu beschaffen. Wieder gingen Hunderttausende Menschen auf die Straßen, um gegen den Rechtsruck zu protestieren. Das Ergebnis: Die CDU wird, trotz des Votums mit einer rechtspopulistischen Partei, stärkste Kraft im Bundestag, die AfD erreicht mit 20,8 Prozent traurige Rekordzahlen.
Die Situation scheint aussichtslos. Rechtspopulistische Parteien gewinnen an Zustimmung in allen Teilen und Altersklassen Deutschlands. Die Migrationspolitik wurde in diesem Wahlkampf zum wichtigsten Instrument der Parteien – der Hass auf People of Color immer größer.
Viel Empörung – wenig Konsequenz
In den USA haben die, durch die Ermordung von George Floyd ausgelösten, Black-Lives-Matter-Proteste 2020, einigen Auswertungen zufolge, zu einer deutlich höheren Wahlbeteiligung geführt, die damals den Sieg der Demokraten bedeutete. Auch in Deutschland war die diesjährige Wahlbeteiligung mit 82,5 Prozent die höchste seit der Wiedervereinigung. Doch trotz der Empörung auf den Demos über die Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD, erreichten sie gemeinsam 49,32 Prozent.
Dass es immer noch viele Menschen in Deutschland gibt, die sich gegen den Rechtsruck wehren möchten, zeigt der Überraschungserfolg der Linken. Doch woher kommt es, dass die Hälfte der Wähler für Parteien stimmten, die einen klaren rechten Kurs anstreben?
Liegt das daran, dass der anti-muslimische Rassismus in den letzten Jahren so salonfähig geworden ist, dass er sich nicht mal mehr verstecken muss? Vielleicht sind es auch die großen wirtschaftlichen Versprechen der CDU – auch wenn diese vor allem den Gutverdienenden nutzen würden. Oder hat sich der Fokus der Parteien auf die Migration verwirklicht? Denn wie das ZDF berichtet, sind 62 Prozent aller Deutschen der Ansicht, „die vielen Geflüchteten nicht mehr verkraften“ zu können.
Von der Wirtschaft ablenken
Diese Politik ist durchschaubar: Migrantisch markierte Menschen zum größten Problem Deutschlands zu machen, lenkt die Aufmerksamkeit ab vom Wirtschaftsrückgang mit zunehmenden Insolvenzen, dem Abbau von Arbeitsplätzen und gestiegenen Verbraucherpreisen. Abschiebung und Zuwanderungsbegrenzung lassen sich als Lösung viel einfacher präsentieren, als das dritte Rezessionsjahr in Folge abzuwenden.
Dass eine Abnahme der Zuwanderung zu leeren Kranken- und Rentenkassen führen würde, interessiert offenbar kaum. Vielmehr wird das Bild der „bösen, faulen Ausländer“ gezeichnet, die nicht arbeiten gehen und sich auf dem „Sozialstaat Deutschland“ ausruhen. Die Wahrheit, dass ausländische Staatsangehörige seit 2023 allein dafür verantwortlich sind, dass es wieder mehr Berufstätige gibt, die Sozialversicherungsabgaben zahlen, wird dabei gerne verschwiegen.
Die „guten“ und die „bösen“ Ausländer
Und let’s be clear: Zum Problem werden nicht Migrant:innen allgemein gemacht, sondern vor allem Menschen aus dem arabischsprachigen Raum – also People of Color. Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak stellten in den letzten Jahren die meisten Asylanträge in Deutschland. Und genau dies möchte die CDU mit ihrem politischen Kurswechsel künftig verhindern.
Denn wie Friedrich Merz es bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Neubrandenburg sagte: „Die Frage ist, welche Einwanderung wollen wir. Wir müssen Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt ermöglichen, aber Einwanderung in unsere Sozialsysteme drastisch reduzieren.“ Übersetzt heißt das: Wir wollen die „guten Ausländer“, damit sie bei uns arbeiten, aber alle, die Asyl suchen müssen, weil die Situation in ihrem Land zu unsicher ist, lassen wir nicht rein.
Fest steht: Die politische Lage bleibt angespannt, die Ergebnisse der Wahlen sind ernüchternd. Umso wichtiger, die Vorfälle in Aschaffenburg, München und Magdeburg, die sowohl von der CDU als auch der AfD als Legitimation für ihre Abschiebepolitiken hergehalten haben, nicht zu pauschalisieren. Sondern zu verstehen, dass sie für rassistische Stereotypisierungen instrumentalisiert werden. Derweil gelten Gewalttaten von Deutschen – wie etwa der geplante Kugelbomben-Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Senftenberg – als Einzeltat. Diese Doppelmoral zu Lasten von geflüchteten Menschen muss aufhören. Meinung
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