Eva-Maria Frank, MiGAZIN, Migration, Flüchtlinge, Flucht, Integration, Einwanderung
Eva-Maria Frank © privat, Zeichnung: MiG

Ein (Schein-)gegensatz

Fachkräfte oder Asylsuchende?

Fachkräfte willkommen, Asylsuchende nicht? Der politische Diskurs spaltet Menschen entlang eines konstruierten Gegensatzes – und verrät dabei die Grundwerte einer solidarischen Einwanderungsgesellschaft.

Von Mittwoch, 09.04.2025, 13:37 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.04.2025, 13:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Deutschland ist ein Einwanderungsland – Diese These wird mittlerweile weder von der politischen Linken oder Mitte noch der Rechten angefochten. Die tiefe Spaltung der politischen Lager liegt allerdings in der Bewertung dieser These.

Während die Neue Rechte davon träumt, den Ethnonationalismus aufleben zu lassen und einen hohen Zaun um das deutsche Hoheitsgebiet zu errichten, sieht die politische Linke unsere humanitäre Verpflichtung im Kampf für eine gerechte Einwanderungsgesellschaft. Die politische Mitte wiederum argumentiert zunehmend utilitaristisch: Eine Nettozuwanderung von 400.000 Personen sei im Umgang mit dem demografischen Wandel als wirtschaftliche Maßnahme schlechterdings erforderlich.

___STEADY_PAYWALL___

Vor allem die argumentative Basis der politischen Mitte hat sich im vergangenen Wahlkampf stark zugespitzt: Die Forderung nach Abschiebungen wurde in allen demokratischen Parteien laut und damit dem rechten Populismus der AfD die Hand gereicht. Gerechtfertigt wurde diese Verschiebung mit den jüngsten Anschlägen und der vermeidlichen Forderungen aus der Bevölkerung. In der Wahl wurde dann eben diese Taktik abgestraft: Die Linke, als einzige Partei, die dieser Verschiebung entgegenhielt, konnte einen deutlichen Zugewinn an Stimmen feiern.

„Sprachliche Ungenauigkeiten sind dabei an der Tagesordnung und ermöglichen die populistischen Entwicklungen in Bezug auf diese Debatten.“

Die Diskussion um Migration in politischen Kontexten kennzeichnen dabei zwei unterschiedliche Debatten: Einerseits geht es um Überlegungen in Bezug auf die Fachkräfteeinwanderung und andererseits um Auslegungen des Rechtes auf Asyl. Sprachliche Ungenauigkeiten sind dabei an der Tagesordnung und ermöglichen die populistischen Entwicklungen in Bezug auf diese Debatten. Die AfD bleibt beispielsweise mit ihrem Aufruf zur Remigration derart schwammig in Bezug auf die konkreten Betroffenen, dass es ihnen in Interviews stetig gelingt, diesen Aufruf zu verharmlosen.

Einig sind sie sich allerdings darin, dass „Illegale Migration“ gestoppt werden müsse – eine These, die im Wahlkampf eifrig von der CDU aufgegriffen wurde. Gemeint sind mit diesem missverständlichen Begriff Asylsuchende, d. h. Menschen, die sich auf ihr nach den Genfer Flüchtlingskonventionen geltendes Recht auf Asyl berufen und sich aus diesem Grund in einem Asylrechtsprozess befinden. Ihr Aufenthalt in Deutschland geht demnach keineswegs mit Illegalität einher.

„Es wird ein wertender Gegensatz zwischen einwandernden Fachkräften und Asylsuchenden aufgemacht, der dem egalitären Menschenbild widerspricht.“

Deutlich wohlwollender verhält sich die Neue Rechte sowie die konservative Mitte gegenüber den „qualifizierten Einwandernden“. Deutschland solle Fachkräfte aus dem Ausland abwerben, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln und um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu garantieren. Die eine Form der Einwanderung wird dabei als wünschenswert gewertet, während die andere als staatlichen Krise angesehen wird.

Diese Argumentation ist aus wirtschaftstheoretischer Perspektive durchaus schlüssig, aus einer ethischen Perspektive aber anfechtbar: Wollen wir in unserer Gesellschaft wirklich zwischen „guten“ und „schlechten“ Einwandernden differenzieren? Gerade aus unserer historischen Vergangenheit sollte es doch vielmehr naheliegend sein – mit Horkheimers Worten – bei diesen Fragen nicht mit handlichen Antithesen zu hantieren.

In der politischen Debatte wird ein wertender Gegensatz zwischen einwandernden Fachkräften und Asylsuchenden aufgemacht, der dem egalitären Menschenbild widerspricht. Versteht man alle Menschen als gleichwertig, ist diese Unterscheidung nicht haltbar.

Dabei handelt es sich durchaus um verschiedene politische Fragestellungen: Das Recht auf Asyl gilt es nicht zuletzt aufgrund der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) zu gewähren. Durch das in jedem Fall kritisierbare Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) sind darüber hinaus unsere europäischen Asylverantwortungen normiert. Das Abwerben von Fachkräften geschieht im Gegensatz dazu nicht aus menschenrechtlichen und weiteren juristischen Überlegungen, sondern aus wirtschaftlichen. Selbstverständlich wird im Politischen deshalb separat über die jeweiligen Inhalte diskutiert.

„Die wertende Unterscheidung zwischen erwünschter und unerwünschter Einwanderung gilt es zurückzuweisen.“

Unabhängig der verheerenden Einflüsse des Abwerbens von Fachkräften auf die wirtschaftliche Situation der Herkunftsländer bleibt allerdings klar: Hierüber kann gestritten werden, ohne das Recht auf Asyl infrage zu stellen. Es kann nicht darum gehen, ob wir Fachkräfte einwandern lassen oder Asylsuchende. Bei Ersteren handelt es sich um eine optionale Entscheidung, bei Letzteren um das Nachkommen unserer völkerrechtlichen Verpflichtung.

In Bezug auf unsere Haltung der Einwandernden gegenüber gilt allerdings: Es ist kein entweder – oder! Die wertende Unterscheidung zwischen erwünschter und unerwünschter Einwanderung gilt es zurückzuweisen. Eine Willkommenskultur in Deutschland kann nicht zwischen Formen der Zuwanderung unterscheiden: Es gibt schlechterdings keine besseren oder schlechteren Menschen und sowohl Asylsuchende als auch weitere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gilt es den Einstieg in unsere Gemeinschaft zu erleichtern und ihre institutionelle Diskriminierung zu bekämpfen. (mig) Meinung

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)