
Koalitionäre einig
Aus für Turbo-Einbürgerung, Aus für Familiennachzug, Aus für Bürgergeld
Die Union hat die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts scharf kritisiert. Jetzt wird die Neuregelung in einem Punkt zurückgenommen. Änderungen gibt es auch beim Familiennachzug zu Geflüchteten. Und für Ukrainer soll es künftig kein Bürgergeld mehr geben.
Mittwoch, 09.04.2025, 16:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.04.2025, 17:00 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Die von der Ampel-Regierung eingeführte beschleunigte Einbürgerung besonders gut integrierter Zuwanderer soll wieder abgeschafft werden. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD bei ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt. Die von SPD, Grünen und FDP verabschiedete Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ermöglicht es Menschen, die besondere Integrationsleistungen erbracht haben, seit dem 27. Juni 2024, nach drei Jahren einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen.
Voraussetzungen für die schnellere Einbürgerung sind gute Leistungen in Schule oder Job, hervorragende Sprachkenntnisse oder ehrenamtliches Engagement. Diese von der Union als „Turbo-Einbürgerung“ geschmähte Möglichkeit soll nun gestrichen werden.
An der Reduzierung der Wartefrist für normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre und an der Erlaubnis für den Doppelpass, die von der Ampel ebenfalls beschlossen worden war, wollen CDU, CSU und SPD laut Koalitionsvertrag aber festhalten. Zu den grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung zählt beispielsweise, dass jemand seinen Lebensunterhalt grundsätzlich selbst bestreiten kann.
Kein deutscher Pass zweiter Klasse
Abstand genommen haben die Verhandler von CDU, CSU und SPD von der bei den Sondierungsgesprächen noch diskutierten Idee, eingebürgerten Menschen, die mehr als eine Staatsangehörigkeit haben, in bestimmten Fällen die deutsche Staatsangehörigkeit wieder zu entziehen.
In dem Papier, das am Ende der Sondierungen veröffentlicht worden war, hieß es noch: „Wir werden verfassungsrechtlich prüfen, ob wir Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen können, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.“ Davon ist jetzt nicht mehr die Rede. Migrantenverbände hatten empört auf den Vorschlag reagiert und kritisiert, dies würde auf eine Art deutscher Staatsbürgerschaft auf Probe hinauslaufen.
Im Koalitionsvertrag heißt es nun: „Wir prüfen Änderungsbedarf bei Ausweisung auch bei öffentlicher Aufforderung zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“ Dies würde dann nur Ausländer betreffen, nicht deutsche Staatsbürger. Im Hinterkopf hatten einige der Verhandler bei den Diskussionen über diesen Punkt unter anderem Demonstrationen von sogenannten „Islamisten“, bei denen Teilnehmer die vermeintlichen Vorzüge eines Kalifats gepriesen hatten.
Subsidiär Geschützte: Zwei Jahre ohne Familiennachzug
Änderungen soll es den Koalitionären zufolge auch in der Flüchtlingspolitik geben. Geflüchtete mit eingeschränktem Schutzstatus sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. Der Familiennachzug für diesen Personenkreis soll nur noch in Härtefällen erlaubt sein. Aktuell gilt für die Angehörigen von Menschen mit subsidiärem Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Einreiseerlaubnissen pro Monat.
Nach den zwei Jahren soll dann geprüft werden, „ob eine weitere Aussetzung der zuletzt gültigen Kontingentlösung im Rahmen der Migrationslage notwendig und möglich ist“, heißt es in dem Vertragsentwurf. Die Parteien müssen dem Vertrag nun noch zustimmen.
Für alle anderen Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlinge gab und gibt es keine Beschränkungen, was den Familiennachzug betrifft. Grundsätzlich beschränkt sich dieser immer auf die sogenannte Kernfamilie. Dazu zählen minderjährige Kinder und Ehepartner. Wer als Minderjähriger unbegleitet nach Deutschland kommt, kann außerdem seine Eltern nachholen.
CDU, CSU und SPD hatten sich bereits in den Sondierungsgesprächen darauf geeinigt, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet auszusetzen. Wie lange dies gelten soll, stand damals jedoch noch nicht fest. Zu den Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus zählen viele Syrerinnen und Syrer.
Merz: Es wird Zurückweisungen geben
Man werde einen „neuen Kurs“ in der Migrationspolitik einschlagen, sagte CDU-Chef Friedrich Merz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags am Mittwoch in Berlin. Es werde Kontrollen an den Staatsgrenzen und Zurückweisungen auch gegenüber Asylbewerbern geben.
Im Koalitionsvertrag heißt es wie schon im Sondierungspapier, Zurückweisungen sollen „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ erfolgen. Die Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen war einer der zentralen Streitpunkte in der Migrationspolitik der vergangenen Jahre. Rechtlich sind sie umstritten, weil nach dem Europarecht jeder Mitgliedstaat verpflichtet ist, ein Asylbegehren zumindest auf die Frage hin zu prüfen, welches Land zuständig ist.
Der Koalitionsvertrag hält auch fest, dass die Begrenzung sogenannter irregulärer Migration wieder als Ziel im Aufenthaltsgesetz festgeschrieben werden soll.
Kein Bürgergeld für neue Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
Neuerungen gibt es auch für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Sie sollen kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern die geringeren Leistungen für Asylbewerber. Darauf haben sich CDU, CSU und SPD verständigt. In ihrem Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: „Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht nach der Massenzustrom-Richtlinie, die nach dem 01.04.2025 eingereist sind, sollen wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind.“
Die Bedürftigkeit müsse zudem durch konsequente und bundesweit einheitliche Vermögensprüfungen nachgewiesen werden. Der Bund werde die durch die geplante Änderung bei den Ländern und Kommunen entstehenden Mehrkosten tragen.
Ukraine-Flüchtlinge müssen kein Asyl beantragen
Seit 2022 gilt für ukrainische Kriegsflüchtlinge EU-weit die sogenannte „Massenzustrom-Richtlinie“. Das bedeutet, dass sie einen Aufenthaltsstatus erhalten, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Die Flüchtlinge aus der Ukraine haben in Deutschland seit dem 1. Juni 2022, wenn sie nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können, Anspruch auf Bürgergeld. Jetzt soll sich das ändern. Diejenigen, die schon länger in Deutschland sind, betrifft diese geplante Änderung nicht.
Die Geltungsdauer der EU-Richtlinie für die Ukraine-Flüchtlinge war bis März 2026 verlängert worden. Aktuell leben rund 1,25 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland. Mehr als 60 Prozent der Menschen aus der Ukraine, die hierzulande Zuflucht gesucht haben, sind Frauen und Mädchen. Die Zahl der Menschen, die im Kontext des Krieges aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, hatte zuletzt wieder leicht zugenommen.
Linke: Koalitionsvertrag Dokument der Entsolidarisierung
Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, sieht den Koalitionsvertrag als „Dokument der Entsolidarisierung und ein Armutszeugnis für alle, die ihn unterschrieben haben“. Er trage die Handschrift der AfD und einer fortschreitenden autoritären Wende, wie sie auch in Ungarn und den USA zu beobachten sei.
„Wer Schutzsuchende an den Grenzen zurückweisen, den Familiennachzug aussetzen und Abschiebungen nach Afghanistan ermöglichen will, stellt sich offen gegen den Rechtsstaat und die Menschenrechte,“ erklärt Bünger. Man erkenne, dass sich in wie vielen Punkten die Union durchsetzen konnte. (dpa/epd/mig)
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