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Kinder im Gazastreifen © Bashar Teleb/AFP

„Riviera des Nahen Ostens“?

UN-Büro sieht Anzeichen für Vertreibung im Gazastreifen

Israel will eine größere Pufferzone entlang seiner Grenze zum Gazastreifen schaffen. Dabei dürfen die Menschen nicht zwangsweise vertrieben werden, sagt das UN-Menschenrechtsbüro. Es argwöhnt, dass Israel weitreichende Pläne verfolgt.

Sonntag, 13.04.2025, 11:45 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 13.04.2025, 11:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Israels Armee dehnt ihre Bodeneinsätze im Gazastreifen aus und drängt nach UN-Angaben Hunderttausende Palästinenser in ein immer kleineres Gebiet an der Mittelmeerküste. Israel will nach eigener Darstellung eine größere Pufferzone entlang seiner Grenze schaffen. Ein Militärsprecher forderte Bewohner im Raum Nuseirat im Zentrum Gazas zum sofortigen Verlassen ausgewiesener Viertel auf.

Das UN-Menschenrechtsbüro verurteilte den Evakuierungsaufruf. Es bestehe große Sorge, dass die Menschen nicht zurückkehren könnten, weil Israel dort eine Pufferzone errichten wolle. Eine Zwangsvertreibung verstoße gegen die universal geltenden Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung unter einer Besatzungsmacht. Das sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagt die Sprecherin des Büros, Ravina Shamdasani, in Genf.

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Das UN-Menschenrechtsbüro sieht nach eigenen Angaben Anzeichen, dass Israel das Leben der Palästinenser im Gazastreifen unmöglich machen will. „Angesichts der Auswirkungen des Vorgehens der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen ist das Büro ernsthaft besorgt, dass Israel den Palästinensern im Gazastreifen offenbar Lebensbedingungen zumutet, die mit ihrem Fortbestand als Gruppe im Gazastreifen zunehmend unvereinbar sind“, teilte das Büro in Genf mit.

Armee soll umfangreiche Gebiete erobern

Nach Angaben des israelischen Militärsprechers soll die Armee umfangreiche Gebiete in dem abgeriegelten Küstenstreifen erobern, die zu israelischen „Sicherheitszonen“ werden sollen. Die seit Samstag umzingelte Stadt Rafah im Süden sei nun Teil einer solchen Zone, schrieb Israels Verteidigungsminister Israel

israelischen Medien zufolge in einer an die palästinensische Bevölkerung gerichteten Stellungnahme. Israels Militär werde seinen Einsatz bald auf weitere Teile des Gazastreifens ausweiten. Die Bevölkerung werde die Kampfgebiete verlassen müssen, hieß es weiter.

Nach einer rund zweimonatigen Waffenruhe hatte Israels Armee ihre massiven Angriffe Mitte März wieder aufgenommen. Seither wurden nach Schätzung des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA fast 400.000 Menschen innerhalb des abgeriegelten Gazastreifens vertrieben. Insgesamt leben in dem dicht besiedelten Gebiet am Mittelmeer mehr als zwei Millionen Menschen.

UN-Büro warnt vor Zwangsvertreibungen

Die immer häufigeren Evakuierungsbefehle von Israels Armee hätten dazu geführt, dass Palästinenser gewaltsam in immer kleiner werdende Gebiete gedrängt werden, in denen sie kaum oder gar keinen Zugang zu Wasser, Nahrung und Unterkünften hätten, beklagte das UN-Menschenrechtsbüro.

Eine vorübergehende Evakuierung von Zivilisten in bestimmten Gebieten könne zwar unter strengen Bedingungen legal sein. „Art und Umfang der Evakuierungsbefehle geben jedoch Anlass zu der ernsthaften Besorgnis, dass Israel beabsichtigt, die Zivilbevölkerung dauerhaft aus diesen Gebieten zu vertreiben, um eine sogenannte Pufferzone zu schaffen“, sagte die Sprecherin des Büros, Ravina Shamdasani, am Freitag in Genf. Eine Zwangsvertreibung verstoße gegen die Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung unter einer Besatzungsmacht.

Seit mehr als einem Monat lässt Israel zudem keine humanitären Hilfsgüter mehr nach Gaza. Mit der Maßnahme, die vor allem die notleidende Zivilbevölkerung trifft, will Israel den Druck auf die Hamas erhöhen, die letzten israelischen Geiseln auszuhändigen, die bei dem Terrorüberfall der Hamas und anderer Extremisten auf Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt worden waren. Die Hamas ist jedoch nur zur Freilassung der 24 Geiseln und Übergabe von 35 Leichen von Entführten bereit, wenn Israel einem Ende des Kriegs zustimmt.

Gaza – „Riviera des Nahen Ostens“?

US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt mit einem umstrittenen Vorschlag für internationale Empörung gesorgt. Er brachte eine Umsiedlung der palästinensischen Bevölkerung aus dem Gazastreifen ins Gespräch und schlug vor, das Gebiet in eine touristisch erschlossene „Riviera des Nahen Ostens“ zu verwandeln. Details dazu nannte Trump nicht, auch nicht, in welches Land oder Gebiet die Menschen umgesiedelt werden sollten. Menschenrechtsorganisationen und UN-Experten warnten vor einem solchen Szenario, das eine völkerrechtswidrige Vertreibung der Bevölkerung bedeuten würde.

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu begrüßte Trumps Vorschlag ausdrücklich. Das sei ein „kreativer Ansatz“ zur Lösung eines langwierigen Problems, zitieren ihn israelische Medien. Kritik daran wies Netanjahu zurück. Die Palästinenserführung hingegen verurteilte den Plan scharf. Auch die Arabische Liga äußerte sich besorgt und sprach von einem „gefährlichen Tabubruch“.

Sollten Israel und die USA die umstrittenen Pläne weiterverfolgen, könnte das Experten zufolge eine weitere Migrationsbewegung auslösen – auch Richtung Europa. (dpa/mig) Aktuell Ausland

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