
Migrationsziel Chile
Der lateinamerikanische Traum
In Südamerika gilt Chile als besonders stabil und wirtschaftlich erfolgreich. Für manche Migranten ist es daher eine Alternative zum schweren Weg in die USA. Aber auch in Chile sind sie nicht unbedingt wohlgelitten.
Von Malte Seiwerth Mittwoch, 16.04.2025, 12:49 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.04.2025, 12:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ein kleiner Graben trennt Chile von Peru, rundherum nur Sand. Ein paar Militärs stehen etwas hilflos an der Straße, während Hunderte Menschen einen der größten Grenzposten Chiles überqueren. Seit den 90er Jahren ist Chile dank seiner vergleichsweise starken Währung und stabilen Wirtschaft zu einem Migrationsziel geworden – die chilenische Wirtschaft profitiert davon, doch die Gesellschaft reagiert mit Misstrauen und Hass.
Nur ein paar Kilometer entfernt in der nördlichen Grenzstadt Arica leitet Dayana Mares eine der wenigen Anlaufstellen für Migrantinnen und Migranten. Die vom katholischen Bund der Jesuiten getragene Einrichtung berät monatlich zwischen 350 und 450 Personen. „Teilweise kommen die Menschen durstig an und bitten einfach nur um Wasser“, erzählt Mares. Die Beratungsstelle begleitet sie dann in den ersten rechtlichen Schritten, vergibt Lebensmittel und Kleidung und hilft bei der Suche nach Wohnraum. Doch die Ressourcen sind knapp. „Wir müssen häufig jene priorisieren, die unter den Bedürftigen, am bedürftigsten sind.“
Leben im Untergrund
„Es ist schwieriger geworden, die Grenze irregulär zu überqueren“, sagt Mares. Viele Menschen versuchten daher, übers Meer nach Chile zu gelangen. Seit 2022 muss zudem das erste Arbeitsvisum im Ausland beantragt werden. Vielen Migrantinnen und Migranten bleibt daher nur ein Leben im Untergrund. „Es bleibt die Hoffnung, sich mit einer Person mit chilenischem Pass zu verheiraten.“
In dem südamerikanischen Land lebten im Jahr 2023 von den rund 19 Millionen Einwohnern schätzungsweise knapp zwei Millionen ohne chilenischen Pass. Das waren fast 1,7 Millionen mehr als 2010. Ein Großteil von ihnen stammt aus Venezuela, Peru, Kolumbien und Haiti. Bei den Betreibern von Landwirtschaftsbetrieben sind die Geflüchteten als billige Arbeitskräfte beliebt, teilweise beuten sie die Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen aus. Zugleich sorgt die hohe Einwanderungszahl im vergangenen Jahrzehnt auch für scharfe Auseinandersetzungen. In mehreren Städten wurden die Migrantinnen und Migranten angegriffen, die aus Mangel an Unterkünften in Zeltstädten hausen. „Viele Chilenen machen die Migranten für das überlaufene öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem verantwortlich, dabei existieren die Probleme schon deutlich länger als die Menschen hier sind“, sagt Helferin Mares.
Grenzausbau und -kontrollen
In der nördlichsten Region Chiles ist Camila Rivera die lokale Vertreterin der Zentralregierung in Santiago. „Präsident Gabriel Boric hat wichtige Investitionen getätigt, um die Grenze auszubauen, die Kontrolle zu stärken, aber auch um den regulären Übertritt zu vereinfachen“, sagt sie. Seit Mai 2024 sei daher der Grenzposten im Norden Aricas 24 Stunden am Tag offen. Man arbeite gemeinsam mit den verschiedenen Sicherheitsbehörden, um irreguläre Grenzübergänge und auch Menschenhandel zu bekämpfen.
Offizielle Anlaufstellen für Migrantinnen und Migranten gibt es so gut wie keine. Deshalb gehen viele Einwanderer zu Organisationen wie dem Hilfsdienst der Jesuiten.
Der Venezolaner Mijael Castellano ist erst seit ein paar Tagen in Chile. Seine Schwester lebt bereits mehrere Jahre in Arica und kam über die Landgrenze aus Peru. Castellano und seine Familie reisten mit dem Flieger und einem Touristenvisum ein. Nun sucht er in der Beratungsstelle der Jesuiten Hilfe, um seine Kinder zu legalisieren. Denn im Gegensatz zu Erwachsenen erhalten Minderjährige unabhängig von ihren Eltern automatisch ein Visum und haben Zugang zu Bildung und Gesundheit.
Weniger Rassismus als in Kolumbien
Sie verließen Venezuela wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und lebten zuerst in Kolumbien. An Chile schätzen sie die hohe Lebensqualität und den funktionierenden Staat. Rassismus hätten sie deutlich weniger erlebt als zuvor in Kolumbien, sagt Castellano. Chile sei der „lateinamerikanische Traum“, ergänzt seine Schwester Sherezade Castellano. Zwar nicht so reich wie die USA, aber trotzdem mit der Perspektive, ein besseres Leben führen zu können.
Derweil blickt Mares skeptisch in die Zukunft. Sie erwartet, dass durch die harte Migrationspolitik des neuen US-Präsidenten Donald Trump mehr Menschen nach Chile wollen. Aber die chilenische Regierung sei darauf nicht vorbereitet, sagt die Helferin. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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Das Bild zeigt keine Chilenische Flagge. ;)
Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben korrigiert :)
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