
Schüsse auf ausländische Studenten
Verharmlosen Behörden mutmaßlich rassistischen Angriff an der TU-Ilmenau?
Ein Mann schießt auf dem Campus der TU Ilmenau in Thüringen auf ausländische Studierende. Er wird gefasst – und wieder freigelassen. Die Staatsanwaltschaft bagatellisiert die Tatwaffe als „Kinderspielzeug“. Der Bundesverband ausländischer Studierender übt scharfe Kritik.
Mittwoch, 16.04.2025, 14:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.04.2025, 14:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Am Donnerstagabend vergangener Woche kam es auf dem Campus der Technischen Universität Ilmenau offenbar zu einer Serie gezielter Angriffe auf ausländische Studierende. Obwohl der Vorfall von der Polizei zeitnah gemeldet wurde, erlangte er erst Tage später öffentliche Aufmerksamkeit. Grund: Die Polizei sprach zunächst lediglich von „Passanten“, die mit Kunststoffkugeln beschossen worden seien, die Staatsanwaltschaft sprach von einem „waffenähnlichen Kinderspielzeug“ – eine Bagatelle?
Was ist passiert: Nach bisherigen Erkenntnissen soll ein 21-jähriger Mann aus einem fahrenden Auto heraus mit Gummigeschossen auf Menschen rund um den Campus gezielt und dabei acht Personen verletzt haben. Augenzeugen berichten jedoch von einer deutlich höheren Zahl an Betroffenen. Teilweise seien dieselben Menschen mehrfach angegriffen worden. In mehreren Fällen sollen die Opfer zudem rassistisch beleidigt worden sein. Die Attacken zogen sich laut Zeugen über fast zwei Stunden hin, von etwa 19:30 Uhr bis kurz vor 22 Uhr, ohne – so der Vorwurf – dass die Polizei frühzeitig eingriff.
Die Ermittler nahmen den mutmaßlichen Schützen noch am selben Abend vorläufig fest. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde dabei das „waffenähnliche Kinderspielzeug“ sichergestellt. Die Ermittlungen würden wegen des Verdachts auf versuchte gefährliche Körperverletzung laufen. Ein politisches Motiv werde geprüft. Haftgründe lagen nach Ansicht der Ermittlungsbehörden nicht vor – der Tatverdächtige wurde noch am selben Abend auf freien Fuß gesetzt.
Studentenverband: Behörden bagatellisieren Angriff
Diese Einordnung ruft scharfe Kritik hervor. Der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) sieht in der Tat einen gezielten Angriff auf ausländisch gelesene Menschen – und in der Reaktion der Behörden eine nicht hinnehmbare „Bagatellisierung“. Der Verband verweist auf Hinweise, die auf eine rechtsextreme Tatmotivation hindeuten: darunter Beleidigungen, einschlägige Codes auf dem Kennzeichen des Tatfahrzeugs und die gezielte Auswahl der Opfer.
Auch die Bezeichnung der Tatwaffe als „Kinderspielzeug“ wird vom BAS scharf kritisiert. Bei der beschlagnahmten Waffe handele es sich demnach um ein Gasdruckgewehr, das ernsthafte Verletzungen hervorrufen könne. Der Verband betont, dass der Einsatz solcher Waffen im öffentlichen Raum verboten sei. Dass die Staatsanwaltschaft die Tat dennoch verharmlosend darstelle, schade dem Vertrauen in die Ermittlungsbehörden.
Demo auf dem Campus – Uni in der Kritik
Nicht nur Polizei und Justiz, auch die Universität Ilmenau steht in der Kritik. Zwar kündigte die Hochschule an, den hauseigenen Wachschutz zu verstärken. Eine deutliche öffentliche Stellungnahme zur Tat blieb bislang jedoch aus. In sozialen Netzwerken wird zudem auf ein internes Schreiben verwiesen, in dem der Vorfall als „Einzelfall“ bezeichnet worden sein soll. Die Echtheit und der Kontext des Dokuments konnten bislang nicht unabhängig verifiziert werden. Für den BAS ein bekanntes Muster: „Wir kennen das nur allzu gut und sind es leid! Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind keine Einzelfälle. Ausländisch gelesene Menschen sehen sich tagtäglich damit konfrontiert.“
Am Tag nach dem Angriff reagierten Studierende und Bürger mit einer spontanen Demonstration auf die Vorfälle. Etwa 100 Menschen versammelten sich auf dem Campus und in der Innenstadt von Ilmenau. Auch Oberbürgermeister Daniel Schultheiß beteiligte sich an dem Protest. Er sprach von „erschütternden Ereignissen“, die die Stadt nicht unbeantwortet lassen werde.
Verband fordert Konsequenzen
Der BAS fordert nun weitreichende Konsequenzen: umfassende Schutzkonzepte für ausländische Studierende, einen systematischen Ausbau von Opferberatungsstellen und eine zentrale bundesweite Dokumentation rassistischer Vorfälle an Hochschulen. Zugleich kritisiert der Verband eine weit verbreitete Praxis an deutschen Universitäten: Rassismus werde oft heruntergespielt, um Image und internationale Attraktivität der Hochschule nicht zu gefährden.
„Es muss endlich aufhören“, so Johannes Glembek, BAS Geschäftsführer, „dass in einer gesellschaftlich aufgeheizten Stimmung immer wieder AfD-Narrative von zu viel Migration und ungewollter Zuwanderung verbreitet werden. Dies ermutigt zu Übergriffen und dient deren Rechtfertigung.“ (mig) Aktuell Panorama
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