
Hamburg
Gericht stoppt kompletten Leistungsausschluss für Geflüchtete
Trotz eindeutiger Rechtsprechung strich Hamburg Schutzsuchenden weiterhin sämtliche Leistungen. Jetzt hat das Sozialgericht der Behörde die rote Karte gezeigt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte betont: Menschenwürde kann nicht ausgehebelt werden.
Dienstag, 22.04.2025, 11:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 22.04.2025, 11:05 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das Sozialgericht Hamburg hat am Donnerstag einem Eilantrag gegen den vollständigen Ausschluss eines Geflüchteten von Sozialleistungen stattgegeben. Die Entscheidung richtet sich gegen die Praxis des Hamburger Amts für Migration, sogenannte Dublin-Fälle weitgehend von staatlicher Unterstützung auszuschließen.
Seit Ende Oktober 2024 sieht eine Gesetzesänderung im Asylbewerberleistungsgesetz einen weitgehenden Leistungsausschluss für Personen vor, die in einem anderen EU-Staat zuerst einen Asylantrag gestellt haben. Diese sogenannten Dublin-Fälle sollen eigentlich in das zuständige Land zurückgeführt werden. In vielen Fällen scheitern diese Rückführungen jedoch, etwa weil keine Ausreisevereinbarungen mit dem betreffenden Staat bestehen. In Hamburg erhalten Betroffene zunächst zwei Wochen lang eingeschränkte Leistungen wie Unterkunft, Essen, Trinken sowie neun Euro monatlich für Körperpflege. Danach sind sie auf freiwillige Leistungen der Behörde angewiesen.
Gerichte einheitlich gegen Leistungsausschluss
Im jetzt entschiedenen Fall lebt der Antragsteller seit über vier Monaten in Deutschland. Ein Ausreisetermin ist bislang nicht festgelegt. Das Sozialgericht Hamburg bestätigte nun im Eilverfahren, dass der Leistungsausschluss rechtswidrig ist. Solange eine tatsächliche Rückführung nicht erfolgt, bestehe ein Anspruch auf Sozialleistungen.
Bereits zuvor hatten Sozialgerichte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg entschieden, dass der Ausschluss sogenannter Dublin-Fälle von Sozialleistungen gegen europäische und verfassungsrechtliche Vorgaben verstößt. Die Gerichte verpflichteten die Behörden zur vollständigen Leistungsgewährung. Der rheinland-pfälzische Fall hatte Aufsehen erregt, weil die Behörden einen jungen Geflüchteten bei Minusgraden aus der Unterkunft geworfen hatten. Davon unbeirrt setzte das Hamburger Amt für Migration die umstrittene Regelung auch nach diesen Urteilen weiter um und hielt an der Einschränkung fest. Mit dem aktuellen Beschluss reiht sich das Sozialgericht Hamburg in die bisherige bundesweite Rechtsprechung ein und rügt die Hamburger Verwaltungspraxis ausdrücklich.
GFF: Menschenwürde kann nicht ausgehebelt werden
„Es ist absurd, dass der Leistungsausschluss überhaupt durch das Gesetzgebungsverfahren gekommen ist. Die heutige Entscheidung stellt klar, dass das menschenwürdige Existenzminimum weder durch Gesetz noch durch Behörden ausgehebelt werden kann“, erklärte Lena Frerichs, Verfahrenskoordinatorin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das Verfahren gemeinsam mit der Rechtsanwältin Malena Bayer geführt hatte.
Die GFF ist eine zivilgesellschaftliche Organisation mit Sitz in Berlin. Sie führt strategische Klagen, um Grundrechte zu verteidigen, und hat in der Vergangenheit mehrfach gegen Einschränkungen im Asyl- und Sozialrecht geklagt.
Hamburg kann Beschwerde einlegen
Die sogenannte Dublin-Verordnung regelt innerhalb der EU, welcher Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. In der Regel ist dies der Staat, den die geflüchtete Person zuerst betreten hat. Die Regelung soll Mehrfachanträge verhindern, führt jedoch regelmäßig zu humanitären Härten, wenn Überstellungen nicht möglich sind und Schutzsuchende in rechtliche und soziale Unsicherheit geraten.
Das Hamburger Amt für Migration kann gegen die Entscheidung des Sozialgerichts noch Beschwerde einlegen. (mig) Aktuell Recht
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