Wilmersdorf, Berlin, Moschee, Kuppel, Minarette, Islam, Muslime
Die Wilmersdorfer Moschee in Berlin © de.depositphotos.com

26. April 2025

Älteste noch existierende Moschee begeht 100-jähriges Bestehen

Vor 100 Jahren wurde der erste Gottesdienst in der Berliner Lahore-Ahmadiyya-Moschee abgehalten. Die älteste noch existierende Moschee Deutschlands bot in der NS-Zeit eine Zuflucht für Juden und wurde 20 Jahre lang von einer Frau verwaltet.

Von Donnerstag, 24.04.2025, 16:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 24.04.2025, 16:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

12:21 Uhr, es ist Zeit für das Mittagsgebet, eines der fünf täglichen Gebete im Islam. So steht es auf dem Gebetskalender im Eingangsbereich der Berliner Lahore-Ahmadiyya-Mosche in Wilmersdorf. Wann in einem halben Jahr das Mittagsgebet vollzogen werden soll, kann man dort auch schon einsehen. Ein paar Nachzügler kommen noch herein, stellen ihre Schuhe ins Regal und streifen auf dem Weg in den Gebetsraum hastig ihre Jacken ab. Etwa 15 Männer und eine Frau sind an diesem Mittag zum Gebet da. Sie heben die Hände zu den Köpfen, gehen auf die Knie, berühren mit dem Gesicht den Boden.

Es ist wieder gewöhnlicher Alltag eingekehrt in der ältesten noch existierenden Moschee Deutschlands. Noch vor kurzer Zeit standen hier ausnahmsweise Stühle. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war im März da, zum Iftar, dem allabendlichen Fastenbrechen während des Ramadan – denn die Moschee begeht am Samstag (26. April) den 100. Jahrestag des ersten Gottesdienstes.

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Auch Amir Aziz befindet sich unter den Betenden. Der Imam der Moschee ist ein ruhiger Mann mit einem freundlichen Gesicht, das von seinem ergrauten Bart bedeckt wird. Seit 2016 steht der gebürtige Pakistaner der Berliner Lahore-Ahmadiyya-Gemeinde vor. Der Besuch des Bundespräsidenten wirkt bei ihm noch nach: „Es ist eine große Ehre für uns gewesen und ich denke, dass sein Besuch hier auch ein Symbol der Solidarität mit allen Muslimen in Deutschland war.“

„Wir sind Teil Deutschlands“

Das ist nicht weit hergeholt, stellte Steinmeier doch in der Moschee in Anlehnung an Altbundespräsident Christian Wulff klar: Der Islam gehöre angesichts seiner 5,5 Millionen Anhänger selbstverständlich zu Deutschland. „Und wir sind Teil Deutschlands“, fügt Aziz nach dem Besuch des Staatsoberhaupts hinzu: „In jeder schwierigen Situation werden die Muslime zur deutschen Bevölkerung stehen.“

Eine Moschee, in den 1920er Jahren erbaut – kaum vorstellbar. Die Religionswissenschaftlerin Gerdien Jonker erklärt, dass Deutschland – isoliert nach dem Ersten Weltkrieg – offen gegenüber Muslimen gewesen sei. Und die junge muslimische Bewegung war offen gegenüber anderen Religionen. Sadr-ud-Din, der erste Missionar, fertigte die erste deutsche Koranübersetzung eines Muslimen mit dem Juden Hugo Marcus an. Als mit den Nürnberger Gesetzen 1936 die Lage für Juden immer schlechter wurde, gingen einige in die Moschee. Und mit der preußischen Konvertitin Amina Mosler verwaltete von 1939 bis 1959 eine Frau die Moschee.

„Religion der Zukunft“

„Es war vom Ursprung her eine multireligiöse Truppe, die versuchte, eins zu werden“, erklärt Jonker. Die Lahore-Ahmadiyya-Bewegung wollte etwas Neues entwickeln, eine „Religion der Zukunft“, in der jeder gleich ist. Sie geht auf Mirza Ghulam Ahmad (1838-1908) zurück, der die Säkularisierung im damaligen Britisch-Indien akzeptierte. „Sie stellten sich auf eine Ebene mit ihren Nachbarn, Sikhs, Hindus und Buddhisten und mit Christen und Juden. Sie nannten sich auch demokratisch“, erklärt die Wissenschaftlerin. Sie lehnten das Kalifat ab, niemand sollte über andere herrschen.

Auch Imam Aziz verfolge diesen Gedanken weiter, sagt Jonker, die jahrelang zur Gemeinde geforscht hat. Das trage dazu bei, dass viele Gottesdienstbesucher nicht zwangsläufig Mitglied der Gemeinde sind – deutschlandweit schätzt Jonker die Zahl auf rund 300 bis 400 Anhänger – sondern zum Teil auch ganz andere Ansichten haben.

Zwei Freitagsgebete

Wie Aziz mit diesen Differenzen umgeht, zeigt ein Beispiel nach der großen Fluchtbewegung im Jahre 2015. Unweit der Moschee stellte das Land Berlin eine Unterkunft bereit. Daraufhin seien viele orthodoxe syrische und afghanische Muslime zur Moschee gekommen. Sie störten sich daran, dass Frauen keine Kopftücher trugen. Der Imam habe ihnen erklärt, das müsse jede Frau für sich selbst entscheiden. Um den Konflikt zu befrieden, schloss er kurzerhand einen Kompromiss: Er hielt einfach zwei Freitagsgebete.

Vielleicht kann sich der Imam bald über ein verspätetes Geschenk zum Jubiläum freuen. 2017 kam bei Renovierungsarbeiten das Archiv der Moschee mit seinen teils 100 Jahre alten Dokumenten wieder zum Vorschein. Um die rund 70.000 Archivalien zu bewahren und öffentlich zugänglich zu machen, wurde ein Vertrag mit dem Berliner Landesarchiv geschlossen. Corona habe diese Digitalisierung zwar verzögert, aber Aziz ist zuversichtlich, dass die Arbeiten bald abgeschlossen sein werden. Möglicherweise bis zum 100. Jahrestag der Fertigstellung der Moschee, der steht nämlich noch bevor. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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