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Rassismus, Demo, Transparent, Ausländerfeindlichkeit
Das Problem heißt Rassismus (Archivfoto) © strassenstriche.net @ flickr.com (CC 2.0)

Über Worte & Begriffe

Rasse sagt man nicht mehr

Das Wort Rasse mag nahezu verschwunden sein, das gedankliche Konstrukt versteckt sich heute aber hinter einem anderen Wort. Das Wort lautet: Kultur! Es ist zum Kampfbegriff geworden und wird äquivalent zum Rassebegriff gehandelt. Von Sami Omar

Von Freitag, 13.10.2017, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.10.2017, 17:46 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wenn man sein Bauchfett von beiden Seiten her zusammenquetscht, sehen fast alle Bauchnabel so aus, wie eine der schmelzenden Uhren auf Salvador Dalís Gemälde „Die Beständigkeit der Erinnerung“. Diese Erkenntnis ist Gold wert. Sie werden Freude damit haben. Bitteschön, gern geschehen!

Salvador Dalí – der bis heute im Verdacht steht, dem Faschismus und seinen prominenten Vertretern zugetan gewesen zu sein – wird in einem Artikel seines Kollegen Breton mit der Überzeugung zitiert: … dass alle gegenwärtigen Unruhen in der Welt rassischen Ursprungs seien, und die beste Lösung bestünde in einer Übereinkunft aller weißen Rassen, die dunklen in Sklaverei zu zwingen. Der Vorschlag wäre heute innerhalb einer seriösen Debatte völlig untragbar. Er fußt aber auf einer Theorie, die auch heutigen Debatten zugrunde liegt, Debatten um die angebliche Bedrohung des christlichen Abendlandes durch „fremde Kulturen“. Er lautet immer noch in etwa so: Menschen gehören nach Art und Aussehen zu unterschiedlichen Gruppen. Diese Gruppen heißen Rassen und sind mit verschiedenen Wertigkeiten menschlichen Lebens verknüpft.

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Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges brach für Deutschland in vielerlei Hinsicht gleichsam eine neue Ära an. Was im Dritten Reich gewesen ist, das sollte und durfte sich auch in der Sprache nicht fortsetzen. Das Konstrukt der Rasse durfte so nicht mehr genannt werden. Zuviel war geschehen, als dass man daraus etwas Neues erwachsen lassen hätte können. Und tatsächlich ist das Wort Rasse über die Jahrzehnte aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Es ist kaum noch zu lesen oder zu hören. Jedoch wird im Deutschen aus gutem Grund ein Unterschied zwischen Begriff und Wort gemacht. Während „Begriff“ ein gedankliches Konstrukt bezeichnet, ist mit „Wort“ die dem Konstrukt zugeordnete Bezeichnung gemeint. Das Wort Rasse mag also nahezu verschwunden sein, das gedankliche Konstrukt versteckt sich heute aber hinter einem anderen Wort. Das Wort lautet: Kultur! Es ist zum Kampfbegriff geworden und wird – von manchen bewusst, von anderen unbemerkt – äquivalent zum Rassebegriff gehandelt.

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„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit.“ (AfD-Parteiprogramm)

Dem Zitat wohnen zwei Gedanken inne: Die Sorge um die Reinheit der Kultur als in sich geschlossenes, homogenes, von anderen Kulturen klar trennbares Gut. Und die Sorge um den Verlust ihrer vermeintlich höheren Wertigkeit durch eine Vermischung mit anderen, naturgemäß niederen Kulturen. Ersetzt man das Wort Kultur in diesen Zitaten mit dem Wort Rasse, so wird ersichtlich, wie nahezu synonym sie hier verwendbar sind. Im Sprachgebrauch der neuen Rechten in Europa wird die Herabsetzung anderer Traditionen und Gebräuche, aber auch anderen Aussehens und anderer Herkünfte unter dem Deckmantel kultureller Bewahrungsbestrebungen betrieben. Dabei liegt alledem nichts anderes zugrunde, als die Knüpfung unterschiedlicher Wertigkeiten an Menschen anderer Herkunft und deren Traditionen. Und es wird verleugnet, wie sehr die Kulturgeschichte, z.B. des Abendlandes durch Transkulturalität geprägt ist und schon immer war. Selbst der ganze Stolz und intellektuelle Quell des Abendlandes, nämlich das antike Griechenland, könnte als Blaupause einer transkulturellen Gesellschaft dienen. Während das Land ab dem späten 18. Jahrhundert zur quasi aus-sich-selbst-entstandenen Hochkultur stilisiert wurde, speiste sich tatsächlich auch diese Gesellschaft aus den verschiedensten kulturellen Einflüssen Ägyptens, Babyloniens, Phöniziens und anderer mehr. Nicht ohne Schwierigkeiten, wohlgemerkt.

Kultur, bezeichnet das vom Menschen selbst gestaltete. Natur, das dem Menschen gegebene. Die Bedeutung des Wortes „Kultur“ verschiebt sich hin zu einer Eigenartigkeit, die durch menschliche Natur vorgegeben sei. In dieser Logik können die „fremden Menschen“ also nichts für Ihre bedrohliche Minderwertigkeit. Man kann völlig frei von Schuldzuschreibungen behaupten, dass die Verteidigung der eigenen Kultur ebenso natürlich sei, wie die Andersartigkeit zwischen den Kulturen.

Dumm nur, dass dieselben Menschen, die ihre Kultur verteidigt wissen wollen, auch unbedingten Integrationswillen von Zugewanderten fordern. Wäre deren Andersartigkeit aber wirklich natürlich- und nicht kulturell bedingt, so wäre Integration undenkbar. Wer kann schon gegen seine Natur?

Der Trick mit dem Bauchnabel und der schmelzenden Uhr funktioniert übrigens mit Bäuchen aller Kulturen. Vermutlich wusste Salvador Dalí davon nichts. Leitartikel Meinung

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  1. barskanmaz sagt:

    Zum Begriff der Rasse im rechtlichen Kontext findet am 19. und 20. Oktober 2017 in Berlin an der HU Berlin eine Konferenz statt.
    Sehr zu empfehlen.
    C.B.

  2. Mann-oh-Mann sagt:

    „Das vornehme Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch.“

    Theodor W. Adorno: Schuld und Abwehr. Gesammelte Schriften Band 9/2. Frankfurt a. M. 1975.

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