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Unverständnis

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen zum Tod von Oury Jalloh ein

Die Ermittlungen zum Tod von Oury Jalloh wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter am Tod des Asylbewerbers. Die Familie des Opfers ist irritiert und kündigt Beschwerde an. Eine Initiative geht von Mord in der Polizeizelle aus.

Montag, 16.10.2017, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 17.10.2017, 16:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) hat die Ermittlungen zum Tod von Oury Jalloh eingestellt. Nach sorgfältiger Prüfung der vorliegenden Erkenntnisse habe das am 7. Dezember 2012 von Amts wegen eingeleitete Verfahren „keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung ergeben“, teilte die Anklagebehörde am Donnerstag in Halle mit. Eine weitere Aufklärung sei nicht zu erwarten.

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Die Familie von Oury Jalloh hat laut Anwälten mit Betroffenheit und Unverständnis auf die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zu dessen Tod reagiert. Rechtsanwältin Gabriele Heinecke erklärte am Freitag im Namen der Familie, dass gegen die Einstellung Beschwerde eingelegt und der Staatsanwaltschaft erneut aufgegeben werde, welche weiteren Ermittlungsschritte zwingend zu unternehmen sind. Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hatte erst Anfang Juni 2017 die weitere Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Halle übertragen.

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Staatsanwaltschaft: Brandursache nicht feststellbar

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Der aus Sierra Leone stammende Asylbewerber Oury Jalloh war am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. Er starb gefesselt an einer Matratze bei einem Brand in der Gewahrsamszelle. 2008 waren in einem ersten Prozess zwei Polizisten in Dessau freigesprochen worden. Nachdem der BGH das Urteil gekippt hatte, wurde ein Beamter 2012 vom Landgericht Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine erneute Revision verwarf der BGH 2014. Jalloh soll die Matratze selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben.

Die Auswertung der zahlreichen Gutachten verschiedener Fachrichtungen lässt aus Sicht der Staatsanwaltschaft Halle nur den Schluss zu, „dass der konkrete Ausbruch des Brandes, dessen Verlauf und das Verhalten des Oury Jalloh nicht sicher nachgestellt und nicht eindeutig bewertet werden können“. Auch der von zwei verschiedenen Sachverständigen vorbereitete, gemeinsam durchgeführte und getrennt begutachtete Brandversuch vom August vorigen Jahres habe keine sicheren Erkenntnisse erbracht. „Es bleibt eine Vielzahl von Möglichkeiten denkbar, die zu widerstreitenden, sich teils wechselseitig ausschließenden Darlegungen der in die Auswertung einbezogenen Sachverständigen unterschiedlicher Fachbereiche führen“, heißt es in ihrer Mitteilung.

Dubioses Feuerzeug in der Zelle

Dass Jalloh „unter Verwendung größerer Mengen eines Brandbeschleunigers“ angezündet worden sein könnte, sei gutachterlich allerdings ausgeschlossen worden. Auch würden die beteiligten rechtsmedizinischen Sachverständigen davon ausgehen, dass der Afrikaner bei Brandausbruch gelebt habe; seine „Handlungsfähigkeit und mithin eine Brandlegung durch ihn selbst“ könnten nicht ausgeschlossen werden, hieß es abschließend.

Anwältin Heinecke erklärte am Freitag im Namen der Familie, schon vor sieben Jahren sei verlangt worden, durch Brandversuche am Tatort selbst ein Brandbild herzustellen. Weder die Staatsanwaltschaft Dessau noch die in Halle hätten diesen einzig wissenschaftlichen Anforderungen entsprechendem Vorgehen je entsprochen. Stattdessen seien unter nicht vergleichbaren Bedingungen Brandversuche durchgeführt worden. „Mehr als irritiert“ sei die Familie des Opfers auch darüber, dass sich die Staatsanwaltschaft bis zum heutigen Tage nicht mit der 2015 vorgelegten Beweisführung auseinandergesetzt habe, wonach der angeblich aus dem Brandschutt der Zelle stammende Feuerzeugrest nie in der Zelle gewesen sein könne.

Initiative geht von Mord aus

Die „Initiative im Gedenken an Oury Jalloh“ zweifelt seit Jahren die bisherige These über den Ablauf der tragischen Ereignisse an. Bestätigt fühlt sie sich unter anderem durch ein von ihr selbst in Auftrag gegebenes Gutachten, wonach Jalloh den Brand nicht selbst gelegt haben könne. Zur Aufklärung der Todesumstände kündigten sie Ende August an, eine eigene unabhängige, internationale Untersuchungskommission gründen zu wollen. Grund dafür sei die mangelnde Transparenz der deutschen Behörden bei der Aufklärung des Todesfalls. Die Initiative geht von einer Misshandlung und Ermordung Jallohs aus. Es handele sich um ein rassistisches Verbrechen, das von Vertretern der Polizei, Justiz und Politik vertuscht werde, behauptet sie. (epd/mig) Aktuell Panorama

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