Zurück zu den Verbalattacken
Trump droht mit Ausstieg der USA aus Atomabkommen mit dem Iran
Nach langjährigem Nuklearstreit einigte sich 2015 Iran mit den USA, der EU, Russland, Frankreich, Großbritannien und China in Wien auf ein Abkommen. Jetzt stellt US-Präsident den Deal infrage - und nimmt wachsende politische Unsicherheit in Kauf.
Von Mey Dudin Dienstag, 17.10.2017, 6:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 17.10.2017, 17:10 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Als der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif am 14. Juli 2015 gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten den Atomdeal verkündete, spielte er auf das westliche Misstrauen gegenüber Teheran mit einer ironischen Bemerkung an. Er werde genau die Erklärung, die Federica Mogherini auf Englisch vorgetragen habe, nun auf Persisch verlesen, sagte der Diplomat, der als das freundliche Gesicht Teherans gilt, und betonte lächelnd: „Keine Sorge, es ist genau dieselbe.“
22 Monate hatten Spitzendiplomaten zuvor verhandelt, im Wiener Palais Coburg in zähen Gesprächen, denen ständig das Aus drohte, um eine Lösung gerungen. Schließlich erreichten sie, was viele für unmöglich hielten: Ein Abkommen, das den mehr als zehnjährigen Atomstreit beendete, dem Iran den Weg zur Atombombe verbaute, aber dem Land zugleich eine friedliche Nutzung der Atomkraft möglich machte. Es war ein Durchbruch, der – wie alle Seiten betonten – die Welt friedlicher machen sollte.
Heute, gerade einmal zwei Jahre später, wird dieses Abkommen wieder infrage gestellt – von US-Präsident Donald Trump. „Das Iran-Abkommen war einer der schlechtesten und einseitigsten Deals, auf den sich die Vereinigten Staaten je eingelassen haben“, sagte er am Freitag bei einer Ansprache im Weißen Haus. Er nannte den Iran einen „Schurkenstaat“, der für den Tod vieler Amerikaner verantwortlich sei und bis heute Terrorismus auf der ganzen Welt finanziere und fördere – von der radikal-schiitischen Hisbollah, über die palästinensische Hamas, die afghanischen Taliban bis hin zur sunnitisch-extremistischen Al-Kaida.
Iran-Atomabkommen: 2015 vereinbarten internationale Diplomaten den Iran-Atomdeal, der Teheran zwar ermöglichte, Atomkraft für friedliche Zwecke zu nutzen, den Bau einer Atombombe aber ausschloss. Das in Wien geschlossene Abkommen (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) markierte das friedliche Ende des Nuklearstreits mit dem Iran, der mehr als zwölf Jahre angedauert hatte. Der UN-Sicherheitsrat billigte die Vereinbarung per Resolution und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) bestätigte im Januar 2016, dass der Iran sich an die Absprachen hielt und sein Nuklearprogramm wie gefordert zurückgebaut hatte. Kontrolliert wird die Einhaltung der Vereinbarung von der IAEO. Die internationalen Sanktionen wurden im Gegenzug deutlich gelockert – wovon Irans Wirtschaft schon bald profitierte.
Trump droht mit Kündigung
Der US-Kongress soll nun einen Beschluss fassen, um den Atom-Deal zu verschärfen. Sollte dies nicht geschehen, sagte Trump, „wird das Abkommen gekündigt„. Er als Präsident könne die US-Beteiligung daran jederzeit beenden.
Noch vor einer Woche waren die Vermittler des Atom-Deals, der Iraner Sarif und die italienische EU-Repräsentantin Mogherini unter den Top-Favoriten für den Friedensnobelpreis 2017. Ausgezeichnet wird nun die Internationale Kampagne für die Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Das norwegische Nobelkomitee begründete die Entscheidung so: „Wir leben in einer Welt, in der die Gefahr, dass Nuklearwaffen tatsächlich eingesetzt werden, größer ist, als es lange Zeit war.“ Ein deutliches Signal angesichts des Atomkonflikts mit Nordkorea – bei dem der US-Präsident und das Regime in Pjöngjang sich gegenseitig mit Verbalattacken überbieten. Und eine Ermahnung, den friedlichen Weg beizubehalten.
Iran: Abkommen nicht kündbar
Darauf pocht nun auch Mogherini. Das Atom-Abkommen mit dem Iran „ist kein bilaterales Abkommen“, stellte sie mit ernstem Gesicht klar. „Es ist nicht Sache eines einzigen Landes, es aufzukündigen.“ Es habe keinerlei Verstöße gegen die Vereinbarungen gegeben. „Wir haben die gemeinsame Verantwortung, es für unsere eigene kollektive Sicherheit aufrechtzuerhalten.“
Mogherinis einstiger Verhandlungspartner, Außenminister Sarif, ließ über den Kurznachrichtendienst Twitter wissen: „Unterstellungen, Drohungen und vulgäre Ausdrücke werden Iraner niemals einschüchtern. Trump wird das herausfinden, wie schon alle seine Vorgänger.“ Sarif hat viele Jahre seines Lebens in den USA verbracht und seine beiden Kinder wurden dort geboren. Zwischen 2002 und 2007 war er UN-Botschafter seines Landes in New York. 2013 wurde Sarif Außenminister unter Präsident Hassan Ruhani. Er sollte dessen Politik der Öffnung umsetzen, die nach dem Ende der Amtszeit des Hardliners Mahmud Ahmadinedschad eingeleitet wurde.
Ton wird wieder schärfer
Nun wird der Ton jedoch wieder schärfer. Ruhani ließ nach Trumps Rede in einer Stellungnahme wissen, dass jede Maßnahme der US-Regierung oder des Kongresses zu einer „harten Gegenreaktion“ des Iran führen werde. Die Vereinigten Staaten hätten einmal mehr bewiesen, dass sie als Verhandlungspartner nicht verlässlich seien.
Als Mogherini und Sarif im Juli 2015 vor die Presse traten, um den Atom-Deal zu verkünden, sagten sie, dass Mut, politischer Wille und gegenseitiger Respekt zu der Einigung geführt hätten. Eigenschaften, die wohl auch bei der Lösung der heutigen Krisen nötig wären. (epd/mig) Aktuell Ausland
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen