Fall Yasemin
Einstellung von Ermittlungen nach islamfeindlichem Übergriff hat Nachspiel
Der islamfeindliche Übergriff an einer Düsseldorfer Haltestelle wird Thema im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages NRW. Haben Polizei und Staatsanwaltschaft den gewalttätigen Übergriff auf eine Studentin mit Kopftuch nicht ernst genommen? Experten warnen vor den Folgen.
Dienstag, 17.10.2017, 14:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.10.2017, 15:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der islamfeindliche Übergriff auf eine junge Studentin mit Kopftuch, Yasemin (Name geändert), an einer Düsseldorfer Haltestelle hat ein Nachspiel. Der Innenausschuss wird sich auf Antrag von Verena Schäffer (Die Grünen) an diesem Donnerstag mit dem Fall befassen. Auch im Rechtsausschuss steht der Fall für den 8. November an der Tagesordnung. Im Kern geht es um fehlerhafte Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Was war passiert? Yasemin wurde im Juli auf offener Straße geschlagen und gewürgt von einer fremden Frau und dabei islamfeindlich beschimpft. Ein Arzt attestierte Yasemin 14 Tage Studienunfähigkeit aufgrund ihrer Verletzungen und der seelischen Belastung.
Polizei räumt Fehler ein
Obwohl Yasemin Fotos von der Angreiferin machen konnte, wurden die Ermittlungen eingestellt. Laut Schreiben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf konnte kein Täter ermittelt werden. Als Tatvorwurf führt die Staatsanwaltschaft lediglich „Beleidigung“ auf. Dem MiGAZIN gegenüber erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft, dass die Straftat nicht schwer genug war für weitere Ermittlungen.
Wie Recherchen des MiGAZIN ergaben, hat die Polizei am Tatort weder Augenzeugen befragt noch Fotos von der Tatverdächtigen sichergestellt. Außerdem wurde der Tathergang lückenhaft erfasst. Auf Nachfrage des MiGAZIN räumte die Polizei Fehler ein, jedoch an anderer Stelle: Die Akte sei „aus Versehen“ nicht an den Staatsschutz weitergeleitet worden, die bei politisch motivierten Straftaten ermittelt.
Schäffer: Erfassung islamfeindlicher Straftaten auch in der Justiz
Für Verena Schäffer, Innenpolitische und Rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Landtag, zeigt der Vorfall, dass die Kategorie „islamfeindliche Straftaten“ auch bei der Justiz eingeführt werden muss. Polizeilich werden Vorfälle dieser Art bereits seit Jahresbeginn bundesweit erfasst, was offenbar nur lückenhaft geschieht. Der Fall von Yasmin taucht in der polizeilichen Kriminalstatistik für islamfeindliche Straftaten nicht auf.
Das (https://t.co/U7NT5TFMGr) muss Anlass sein die Kategorie "islamfeindliche Straftaten" bei Justiz einzuführen, wie bei Polizei geschehen!
— Verena Schäffer (@schaeffer_nrw) 30. September 2017
In ihrem Antrag verweist Schäffer auf eine die Broschüre des NRW-Netzwerks gegen Diskriminierung und des Vereins „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ über rassistische Diskriminierung bei der Polizei. Darin wird unter anderem bemängelt, dass die Polizei als „nicht-deutsch“ wahrgenommene Menschen schneller als Schuldige ansieht, ihnen weniger Gehör schenkt, ihnen gegenüber schneller zu härteren Mitteln greift oder sie respektlos behandelt.
„In Deutschland bekomme ich kein Recht“
Dr. Rüdiger Spormann vom Hilfsverein für Kriminalitätsopfer, Weißer Ring e.V., weist im Gespräch mit dem MiGAZIN darauf hin, dass fremdenfeindlich empfundenes Erleben bei Opfern „erhebliche Angstzustände verursachen, also ein sogenanntes Trauma auslösen können“. Folgen könnten Schlafstörungen sein oder die Furcht, sich künftig unbegleitet in der Öffentlichkeit zu bewegen.
„Jedes Opfer einer Straftat wird enttäuscht sein, wenn es sich von den Strafverfolgungsbehörden nicht ernstgenommen fühlt“, erklärt der ehemalige Staatsanwalt und Richter Spormann dem MiGAZIN. Diese Enttäuschung steigere sich häufig in „Ärger oder gar Zorn“. Betroffene könnten aber auch resignieren, jeden Kontakt mit den als ablehnend oder gar feindselig empfunden staatlichen Autoritäten meiden. Sie meinen, „in Deutschland bekomme ich kein Recht“.
Yasemin hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ihr Fall vorschriftsgemäß aufgearbeitet wird und islamfeindliche Straftaten in Zukunft besser verfolgt werden. Bisher wartet sie jedoch vergeblich auf einen Anruf der Polizei oder von der Staatsanwaltschaft. „Nein, bisher hat sich niemand bei mir gemeldet“, sagte sie dem MiGAZIN. (es) Leitartikel Panorama
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