Studie
Familiennachzug zu Flüchtlingen viel geringer als bisher angenommen
Die Bundesregierung ging von einem starken Anstieg des Familiennachzugs zu Flüchtlingen aus, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ebenso. Aktuelle IAB-Berchnungen zeigen nun, die Zahlen werden weit unter den offiziellen Prognosen bleiben.
Freitag, 20.10.2017, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die in Deutschland lebenden Flüchtlinge könnten einer Studie zufolge deutlich weniger Familienmitglieder nachholen als bisher angenommen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg veröffentlichte am Donnerstag Berechnungen, wonach bis Ende dieses Jahres 400.000 in Deutschland anerkannte Asylbewerber und Flüchtlinge nach der Genfer Konvention leben werden. Nur sie haben gegenwärtig ein Anrecht darauf, Familienangehörige nachziehen zu lassen. Der Studie zufolge geht es dabei um 100.000 bis 120.000 Ehepartner und minderjährige Kinder – und damit um weniger Menschen als vorausgesagt. Grund sei die Alters- und Familienstruktur der Flüchtlinge.
Die Bundesregierung war auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs davon ausgegangen, dass sich durch den Familiennachzug die Zahl der Flüchtlinge verdoppeln oder sogar verdreifachen könne. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rechnete mit etwas geringeren Zahlen, ging aber auch davon aus, dass jeder Flüchtling in etwa ein Familienmitglied nachholen könnte.
Aus den Berechnungen des IAB, des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, ergibt sich rechnerisch indes nur eine Nachzugsquote von 0,28 Personen für jeden Geflüchteten in Deutschland. Zwei Gründe sind laut Studie dafür ausschlaggebend. Die Flüchtlinge seien jung und häufig ledig. Nur 46 Prozent sind verheiratet, 43 Prozent haben Kinder. Als zweiten Grund nennt die Studie, dass die Mehrzahl der Familien gemeinsam geflohen sei. Nur 27 Prozent der Verheirateten hätten den Ehepartner zurückgelassen und etwa ebenso viele ihre minderjährigen Kinder – in der Regel beim Ehepartner im Heimatland.
Viele dürfen Familie nicht nachholen
Weitere 200.000 Geflüchtete haben einen sogenannten subsidiären Schutzstatus. Sofern sie nach dem März 2016 nach Deutschland gekommen sind, wurde der Familiennachzug für sie bis März 2018 ausgesetzt. Es handelt sich vor allem um Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die nicht als Asylbewerber anerkannt, aber auch nicht abgeschoben werden. Würden sie künftig wieder das Recht erhalten, Familienangehörige nachzuholen können, stiege die Zahl der nachzugsberechtigten Ehepartner und Kinder der IAB-Studie zufolge um 50.000 bis 60.000 Menschen. Die Studie beruht auf der Auswertung von Statistiken und repräsentativen Befragungen unter Flüchtlingen.
Der Familiennachzug ist einer der Hauptstreitpunkte bei den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen der Union, der FDP und den Grünen. Die Union will ihn für subsidiär Geschützte auch über den März kommenden Jahres hinaus nicht zulassen, während die Grünen darauf bestehen, dass die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge ihre Familien nachholen dürfen. (epd/mig) Leitartikel Politik Studien
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