Wortlaut entscheidend
Gericht entscheidet unterschiedlich über Flüchtlingsbürgen
Über drei Klagen von Flüchtlingsbürgen hat das Verwaltungsgericht Gießen entschieden. In einem Fall wurde der Bürge von der Zahlung komplett befreit, in zwei anderen Fällen nur geringfügig. Auf den Wortlaut komme es an. Rechtsanwalt Schütze spricht von Willkür in Behörden.
Donnerstag, 14.12.2017, 6:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.12.2017, 14:06 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Das Verwaltungsgericht Gießen hat unterschiedlich über die Klagen von drei Flüchtlingsbürgen gegen Kostenbescheide geurteilt. Die Kläger hatten Bürgschaften für syrische Kriegsflüchtlinge übernommen in der Annahme, die Bürgschaft ende mit der Flüchtlingsanerkennung. Das Jobcenter dagegen forderte Unterhaltskosten je nach Zahl der Bürgschaften in Höhe von bis zu 2.500 Euro monatlich für längstens drei Jahre. Das Gericht hob am Dienstagabend in einem Fall die Kostenforderung auf, in den zwei anderen Fällen verringerte es die Forderung nur geringfügig um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. (AZ: 6 K 2716/16.GI)
Im Kern ging es um die Frage, wie sich die „Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auf die Dauer der Haftung“ auswirke, wie der Vorsitzende Richter in der Verhandlung erklärte. Er verwies in seiner Argumentation auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom Januar und vom Oberverwaltungsgericht Münster vom vergangenen Freitag: Für das Ende der Bürgschaft spiele die Anerkennung als Flüchtling keine Rolle. Die Anerkennung führt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts „nicht zu einem anderen Aufenthaltszweck und verpflichtet weiterhin zur Erstattung von Sozialleistungen“. Die Aufenthaltserlaubnis vor und nach der Anerkennung der Flüchtlinge diene demselben Zweck, nämlich humanitären Gründen.
Der Wortlaut der einzelnen Erklärungen sei wichtig, erläuterte der Vorsitzende Richter. Bei einem der Kläger fand sich in dem Schreiben die Formulierung: „Die Verpflichtungserklärung gilt für eine Aufenthaltserlaubnis gemäß Paragraf 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz.“ Hier habe die Verpflichtung, für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge aufzukommen, nur für eine begrenzte Dauer gegolten. In den anderen Fällen habe sich die Bürgschaft nicht auf eine bestimmte Aufenthaltserlaubnis, sondern allein auf den Aufenthaltszweck bezogen. Hierbei verringerte das Gericht jedoch die Kostenforderung des Jobcenters um die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung, da diese nach der Anordnung des Landes Hessen ausgenommen waren. Der Anteil dieser Kosten lag bei den Klagen zwischen 10 und 20 Prozent der Summe. Das Gericht hat die Möglichkeit der Berufung zugelassen.
Willkür
Es sei „willkürlich“ gewesen, wer vonseiten der Behörden die Formulare ausgefüllt habe, kritisierte der Wetzlarer Rechtsanwalt Heinz-Dieter Schütze, der zwei der Kläger vertrat. Die Kläger hätten aus einer „humanitären Überzeugung“ gehandelt und Bürgschaften für Menschen abgegeben, denen sie die Flucht über das Mittelmeer ersparen wollten. „Das hat hier gar keine Rolle gespielt.“ Er hoffe nun auf eine politische Lösung, sagte Schütze dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das Land Hessen habe eine Erklärung abgegeben, dass die Bürgen einen Antrag auf Erstattung der Kosten stellen können.
Er vertrete weitere Bürgen vor Gericht, auch aus anderen Bundesländern, sagte Schütze. Bei einem Fall in Niedersachsen habe ein Bürge 28 Verpflichtungserklärungen unterschrieben, was auf Ansprüche in Höhe von rund 250.000 Euro hinauslaufe. Es gebe eine Initiative der Innenministerien von Hessen und Niedersachsen, intern eine Entscheidung in der Frage der Verpflichtungserklärungen zu treffen, berichtete der Anwalt. (epd/mig) Aktuell Recht
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