EU-Gipfel
Chefs gehen im Streit über Flüchtlinge auseinander
Am Ende wünschte die Kanzlerin frohe Weihnachten - doch die europäische "Familie" der Staats- und Regierungschefs hatte sich kurz vor dem Fest keineswegs friedlich vereint gezeigt. Der alte und neue Zankapfel heißt Flüchtlingspolitik.
Von Phillipp Saure Montag, 18.12.2017, 6:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.12.2017, 16:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Europas Staats- und Regierungschefs sind nach ihrem Gipfel in Brüssel im Streit über die Flüchtlingspolitik auseinandergegangen. Es könne nicht sein, „dass es in einigen Bereichen in Europa eine Solidarität gibt und in anderen Bereichen ist die Solidarität ausgeschlossen, das geht für mich nicht zusammen“, kritisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Ende des Treffens am Freitag.
Es sei „noch ein großes Stück Arbeit zu tun“, hatte die Kanzlerin schon in der Nacht nach der ersten Gipfelhälfte mit Blick auf den Umgang mit Flüchtlingen in Europa festgestellt. Umstritten ist vor allem die Verteilung der Menschen auf die verschiedenen EU-Länder durch verbindliche Quoten. Deutschland und andere wollen, dass zumindest bei Krisen alle EU-Länder Flüchtlinge aufnehmen müssen und sich so solidarisch zeigen – mehrere osteuropäische Staaten lehnen das strikt ab. Merkel sagte, sie sei „nicht zufrieden“.
Tusk: Flüchtlingsquoten „unwirksam“
Dass der lange schwelende Streit hohe Wellen schlug, dafür hatte im Vorfeld der Gastgeber gesorgt: In einem Vorbereitungspapier bezeichnete EU-Ratspräsident Donald Tusk die Flüchtlingsquoten als „unwirksam“ und die EU „entzweiend.“ Nach dem Gipfel blieb Tusk dabei. „Ich habe meine Meinung kein bisschen geändert“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Quoten sei zwar „wichtig, aber nicht die Lösung des Problems“. Die bestehe vielmehr in einem Stopp oder der Verringerung der Zahl „illegaler Migranten“.
Mit dieser Position hatte Tusk den Osteuropäern in die Hände gespielt, die Quoten ablehnen. Unter anderen Ungarns Regierungschef Viktor Orban machte in Brüssel klar, dass er sich weiterhin keine Flüchtlingsquoten vorstellen kann. Der slowakische Premier Robert Fico würdigte die Kooperation der EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik gegenüber Libyen, fügte aber hinzu: „Zugleich lehnen wir die Ideen von Quoten absolut ab.“
Sichtliche Verärgerung
Sichtlich verärgert über diese Haltung äußerte sich Österreichs Bundeskanzler Christian Kern. „Wir tragen Lasten, leisten Beiträge, damit andere wirtschaftlich florieren“, sagte er. „Die anderen erklären uns aber, bei der Thematik unterstützen sie uns nicht. Auf Dauer werden das die Österreicherinnen und Österreicher nicht mittragen.“ Auch der niederländische Regierungschef Mark Rutte forderte, dass alle EU-Staaten durch Aufnahmequoten für Flüchtlinge Solidarität zeigten. Frankreichs Präsident Macron sagte: „Es braucht nach innen Solidarität, das ist unverzichtbar.“
Weitgehend einig zeigten sich die Regierungen der 28 EU-Länder hingegen bei der sogenannten externen Dimension der Migrationspolitik. Hier geht es um die Politik an den Außengrenzen und die Zusammenarbeit mit Ländern wie der Türkei, Libyen und Niger. Merkel machte auf diesem Gebiet „große Erfolge“ in den zurückliegenden Monaten aus.
Linke und Grüne kritisieren Werte-Ausverkauf
Hinterfragt werden die vermeintlichen Erfolge allerdings von Linken und Grünen. „Erfolgreich ist die EU hier nur beim Verrat an Menschenrechten und beim Ausverkauf der eigenen Werte“, kritisierte die Fraktionschefin der Linken im Europaparlament, Gabi Zimmer. Grünen-Fraktionschefin Ska Keller sagte: „Wenn der Erfolg ist, dass man Menschen, Flüchtlinge und Migranten anderswo Menschenrechtsverletzungen aussetzt, aber alleine mit dem Ziel, dass sie nicht herkommen, dann ist es vielleicht ein Erfolg.“ Keller erklärte, in Afrika wolle die EU vor allem Menschen den Weg nach Europa verbauen. Zwar beanspruche sie, die Zustände für Migranten in Libyen zu verbessern: „Dass es Resultate gibt, wäre mir noch nicht bekannt.“
Oxfam urteilte, die externe Flüchtlingspolitik der EU habe zu großem Leid geführt. „Die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache zum Beispiel trägt dazu bei, dass Menschen in ein Land zurückgeschickt werden, in dem ihnen Folter, Vergewaltigung und Sklaverei drohen“, sagte Oxfam-Sprecher Florian Oel dem Evangelischen Pressedienst (epd). Und als Folge des EU-Türkei-Abkommens lebten Menschen auf den griechischen Inseln in überfüllten und nicht winterfesten Lagern. (epd/mig) Aktuell Politik
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