H&M Werbung
Wir brauchen Fortschritte in Diskriminierungsfragen
Die rassistische H&M Werbung knüpft an krude evolutionsbiologische Argumente an. Sie schließt an die bis heute anhaltende historische Erfahrung Schwarzer Menschen an, als Tiere bezeichnet zu werden. Von Lorenz Narku Laing
Von Lorenz Narku Laing Montag, 15.01.2018, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 15.01.2018, 17:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In diesen Tagen sehen wir hart erkämpften gesellschaftlichen Fortschritt einen Rückzug vollziehen. Noah Becker wird auf dem Twitter-Account des Bundestagsabgeordneten Jens Maier (AfD) als „Halbneger“ beleidigt. Der Fußballstar Kevin-Prince Boateng und Boris Becker müssen harsche Kommentare für ihren Einsatz gegen Rassismus aushalten. Die H&M-Modekette blamiert sich mit rassistischer Werbung, in der ein Schwarzer Junge ein Kleidungsstück mit der Aufschrift „Der coolste Affe im Dschungel“ trägt. In vielen Kommentarspalten wurden all diese Fälle heruntergespielt und ihre Tragweite negiert.
In meinem Leben wird mir häufig „Affe“, „afrikanischer Affe“ oder „Negeraffe“ an den Kopf geworfen. Selbst der Bundestagsabgeordnete Dr. Karamba Diaby (SPD) wurde während seines Wahlkampfs immer wieder in dieser Art und Weise angegriffen.
Nicht nur Gerald Asamoah oder Juventus-Fußballer Blaise Matudi teilen diese Leid, sondern auch die ehemalige First Lady der USA Michelle Obama wurde als „Affe in High Heels“ betitelt. Rassismus im Westen und die Beleidigung von Schwarzen haben Tradition.
Das Bild vom Schwarzen als Affen ist zurückzuführen auf eine überholte wissenschaftliche Annahme sogenannter „rassenkundlicher Institute“ in der westlichen Welt. Es wurde das krude evolutionsbiologische Argument vertreten, Afrikaner stünden den Affen besonders nah. Bereits zuvor bezweifelte David Hume ihre Vernunftbegabung und Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Die rassistische Vorstellung, der Mensch sei in seiner größten Vollkommenheit im weißen Menschen, findet sich leider schon bei den deutschen Aufklärern wie Immanuel Kant. Diese „volkskundlichen“ Argumentationen sind oftmals geschlossene Systeme der Welterklärung und stehen im Widerspruch zu modernen, wissenschaftlichen Erkenntnissen. Und noch heute begegnen mir Menschen mit diesem Irrglauben. Wir müssen diese Formen biopolitischer Argumentation eine Ideologie nennen!
So macht H&M Werbung: Weißes Kind ist „a jungle survivor“; das schwarze Kind hingegen wird als „coolest monkey in the jungle“ vorgeführt. pic.twitter.com/suX0yzpgl7
— Earl Edward de Vere (@EdDeVere) 9. Januar 2018
Die Werbung der H&M-Modekette ist beleidigend. Sie schließt an die bis heute anhaltende historische Erfahrung Schwarzer Menschen an, als Tiere bezeichnet zu werden. Der Glaube einer Unterlegenheit des Schwarzen Menschen führt in meiner Welt bis heute zu Aussagen wie: „Wenn du studierst, dann bist du doch ein weißer Schwarzer“, „Mich wundert, dass ein Schwarzer promoviert“ oder „Du bist schlauer als ein normaler Schwarzer“. Die Forderungen von Kevin-Prince Boateng und Boris Becker dieser Ideologie aktiv zu begegnen, sind absolut notwendig!
Brennende Flüchtlingseinrichtungen oder der Fall des Schwarzen Pfarrers im bayerischen Zorneding verdeutlichen zudem, dass auch andere Formen von Rassismus in unserer Gesellschaft noch nicht überwunden sind. Vielmehr berichten mir Freunde und Verwandte von einer neuen Normalität. Einer Normalität in den rassistischen Äußerungen immer alltäglicher werden: Eine Ärztin mit afrikanischer Herkunft trifft auf Patienten, die nur von weißen Medizinern behandelt werden wollen. In der Münchner Innenstadt fordert mich ein Mann auf, wieder nach Afrika zu gehen, da Deutschland den Deutschen gehöre. In meiner Zeit als Sozialarbeiter in Frankfurt führte ich lange Gespräche mit verzweifelten jungen Menschen, da sie nicht wussten wie man mit dem Rassenhass umgehen kann.
Die Kampagnen von Amnesty International zum Alltagsrassismus und das lange Engagement (post-)migrantischer Organisationen zeigen erste wichtige Lösungswege auf. Hierzu gehören die verbesserte Betroffenenberatung, ein gemeinsames Aufstiegsnetzwerk und politische Bildung für die Zivilgesellschaft. Die von der Bundesregierung aufgelegte Förderlinie „Demokratie leben!“ mit ihrer finanziellen Förderung von Minderheitenorganisationen, ist ein weiterer Hoffnungsschimmer. Dennoch ist die Einrichtung von mehr regionalen Antidiskriminierungsstellen dringend notwendig.
Unsere Gesellschaft muss in Diskriminierungsfragen erneut Fortschritt anstreben. Fortschritt ist dann, die Begabung eines Menschen nicht an seiner Hautfarbe abzulesen. Fortschritt ist, wenn gewählte Volksvertreter der AfD aufhören, Bürger rassistisch zu beleidigen. Fortschritt ist, dass Schwarze Menschen nicht mehr als Affen diffamiert werden – auch, weil andere für sie einstehen. Aktuell Meinung
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