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Abwehr oder Förderung

Streit um Heimatministerium

Die Diskussionen um das geplante Heimatministerium reißen nicht ab. Während Politiker das Ministerium als Notwendigkeit verteidigen, warnen Historiker vor Ausgrenzung und Immigrationsabwehr.

Montag, 12.02.2018, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.08.2019, 10:48 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Diskussion um die geplante Erweiterung des Innenministeriums um die Zuständigkeit für Heimat dauert an. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby verteidigte das Vorhaben am Sonntag im Deutschlandfunk. Man dürfe dieses Thema nicht nur den Rechtspopulisten überlassen. Der Berliner Historiker Paul Nolte warnte dagegen vor einer Verklärung des Begriffs „Heimat“, es gehe eigentlich um Grenzkontrolle und Immigrationspolitik, sagte Nolte über ein Superministerium mit Horst Seehofer (CSU) an der Spitze. Kritik kommt auch von der Türkischen Gemeinde. Laut Markus Söder kommt Ministerium vor allem ländlichen Regionen zugute.

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Der im Senegal geborene SPD-Politiker Diaby sagte, der Koalitionsvertrag definiere die Heimat als jenen Ort, an dem die Menschen lebten. Es gehe also vor allem um die Kommunen und darum, dass das Leben auch in strukturschwachen Regionen lebenswert bleibe.

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Diaby für eine inklusive Heimat

„Kommunen sind die Heimat der Menschen und das Fundament des Staates“ zitierte Diaby den Koalitionsvertrag: „Und das muss jetzt mit Inhalten gefüllt werden.“ Die Abwanderung junger Menschen aus strukturschwachen ländlichen Gebieten beispielsweise könne verhindert werden, in dem man die Attraktivität dieser Orte durch Innovationen steigere.

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Diaby sprach sich zugleich für einen Heimatbegriff aus, „der inklusiv ist“. In der heutigen pluralen und inklusiven Gesellschaft in Deutschland würden Respekt, Toleranz und Teilhabe gefordert. „Das ist es, was ich mit dem Begriff Heimat verbinde“, so der SPD-Politiker aus Halle an der Saale, der 2013 als erster gebürtiger Afrikaner in den Bundestag gewählt wurde.

Historiker vermutet Immigrationsabwehr

Nolte sagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst: „Heimat ist für mich an dieser Stelle ein Euphemismus (Beschönigung, Anm. d. Red.) für Grenzkontrolle und Immigrationspolitik.“ „Wahrscheinlich sogar ein Codewort für Immigrationsabwehr“, ergänzte der Professor der FU Berlin.

Er verwies auf den ähnlichen Namen beim Department of Homeland Security, dem Ministerium für innere Sicherheit in den USA. „Das US-Ministerium beschäftigt sich aber nicht in erster Linie mit Programmen wie ‚Unser Dorf soll schöner werden'“, sagte Nolte: „Sondern da geht es um Grenzkontrolle und Immigration.“ Der Begriff „Heimat“ changiere damit an der Schnittstelle von Nostalgie und Fremdenfeindlichkeit.

„Natürlich steht dahinter auch das Bemühen, der AfD das Wasser abzugraben“, sagte Nolte. Man wolle Menschen entgegenkommen, „die Heimatbedarf spüren“. Er zeigte sich besorgt, der neue Begriff könne eine Art „Anti-Globalisierungsministerium“ ankündigen.

Türkische Gemeinde kritisiert Heimatministerium

Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte ebenfalls die Pläne für ein Heimatministerium. Die Fokussierung auf den Heimat-Begriff setze „den falschen Akzent zur falschen Zeit“, sagte der Vorsitzende Gökay Sofuoğlu der „Berliner Zeitung“. „Wir befürchten, dass er nicht Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung fördert“. Stattdessen sei ein inklusives Verständnis der Bundesrepublik nötig mit dem Grundgesetz als gemeinsamer Wertebasis.

Der Regisseur Edgar Reitz, der vor mehr als 30 Jahren sein Hunsrück-Epos „Heimat“ schuf, äußerte sich im „Tagesspiegel“ ablehnend: „Der Gedanke, dass sich jetzt sogar ein Ministerium für Heimat zuständig machen soll, erscheint mir haarsträubend.“ Er habe gehofft, dass die „hinter diesem oft missbrauchten Begriff lauernde Gartenzaun-Mentalität niemals mehr in unserem Land auftauchen“ werde, schrieb Reitz. Nun zeige sie wieder ihr „Spießergesicht“ und versuche, „mit Drohgebärde alles Fremde vom Grundstück zu jagen“.

Söder: Neue Bundesländer brauchen Heimatministerium

Nach Darstellung des bayerischen Heimatministers Markus Söders (CSU) soll das geplante Heimatministerium auf Bundesebene für einheitlichere Lebensbedingungen in Deutschland sorgen. Ziel für Bayern sei gewesen, dass der ländliche Raum genauso Entwicklungs- und Lebensraum sein müsse wie die Ballungszentren, sagte Söder dem Evangelischen Pressedienst. Der ländliche Raum dürfe sich nicht nur zum Museum entwickeln. Es gehe darum, Startchancen für junge Menschen zu verbessern.

Insbesondere für die neuen Bundesländer, wo die AfD wachsende Erfolge verzeichnet, sei ein Heimatministerium wichtig, betonte Söder. „Denn immer dort, wo Regionen vernachlässigt werden und Strukturen einbrechen, ziehen sich mit der Zeit auch demokratische Parteien zurück.“ Man müsse aufpassen, dass dort dann „nicht andere das Feld übernehmen“. Es gebe viele ländlich verwaiste Regionen in den neuen Bundesländern, denen man helfen könnte.

Heimatpreise und Dialektförderung

In Bayern will Söder ländliche Räume und das strukturschwache Nordbayern durch Breitbandausbau, Behördenverlagerung und kommunalen Finanzausgleich stärken. Daneben sei ihm beim Aufbau des Ministeriums das Thema kulturelle Prägung wichtig gewesen. „Dabei war es zentral, zu klären, was Bayern ausmacht und was unser Land zusammenhält.“ Die christlich-abendländische Prägung, das Bekenntnis zur Heimat und den Wurzeln sei für die Menschen ein ganz wichtiger Ansatz. Den kulturellen Zusammenhalt stärke sein Ressort etwa durch Heimatpreise und Dialektförderung.

Wenn die Koalition aus Union und SPD zustande kommt, soll das Bundesinnenministerium künftig um die Bereiche Bau und Heimat erweitert werden. Einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge sollen für den Bereich Heimat 109 Stellen geschaffen werden, zusätzlich soll es dafür einen beamteten Staatssekretär geben. (epd/mig) Leitartikel Politik

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