Kino
Auf den Hund gekommen
Mit "Isle of Dogs - Ataris Reise" liefert Wes Anderson einen Animationsfilm über von der Gesellschaft verstoßene Hunde ab, dessen Geschichte ein zutiefst menschliches Plädoyer vermittelt. Nicht wenige Zuschauer werden sich dabei an den Umgang mit Geflüchteten erinnert fühlen. Von Anke Westphal
Von Anke Westphal Mittwoch, 09.05.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.05.2018, 16:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Irgendwann in naher Zukunft steht es schlecht um die besten Freunde des Menschen. Die Hundepopulation ist stark angewachsen, als ein Ausbruch der Hundegrippe die japanische Stadt Megasaki erschüttert. Entgegen rational-wissenschaftlicher Lösungsansätzen fordert Katzenliebhaber Kobayashi, der korrupte Bürgermeister der Präfektur Uni, eine sofortige Quarantäne: die Abschiebung und Internierung aller Hunderassen, Streuner wie Haustiere. Per Notverordnung wird „Trash Island“, eine abgeschiedene schwimmende Mülldeponie, zum Verbannungsort für die Tiere: die Insel der Hunde.
Ebenso, nämlich im Original „Isle of Dogs„, ist die neue Regiearbeit von Wes Anderson betitelt – ein Animationsfilm. Wer eine leichte Komödie erwartet, wird indes enttäuscht werden. Gewiss zeichnet auch diesen Film der sagenhaft wunderliche Humor des US-Amerikaners (u. a. „Grand Budapest Hotel“) aus. Dass Anderson mit „Isle of Dogs“ allerdings wohl auch auf eine ambitionierte allegorische Erzählung aus war, ist nicht allein den vielen politischen wie kulturellen Bezügen zu entnehmen, sondern auch der Ästhetik. Zuallererst ist dieser Film eine Hommage an das japanische Filmschaffen.
Info: USA / Deutschland 2018. Buch und Regie: Wes Anderson. Sprecher (OV): Bryan Cranston, Koyu Rakin, Edward Norton, Bob Balaban, Bill Murray, Jeff Goldblum. Länge: 101 Minuten. FSK: 6. FBW: besonders wertvoll.
Autorenfilmer Wes Anderson, stellt all seine Kunstfertigkeit in den Dienst der dystopischen Geschichte, die sein neunter Spielfilm und – nach „Der fantastische Mr. Fox“, 2009 – zweiter Animationsfilm erzählt. Heute in zwanzig Jahren verläuft der Alltag komplett freudlos und streng reglementiert im japanischen Archipel. Die Folgen von Wahlfälschung und Umweltkatastrophen (Fukushima ist präsent) prägen das Land; die Bevölkerung wird mit Hilfe von gezielter Fehlinformation und Militanz unterdrückt; eine Anti-Hunde-Massenhysterie setzt ein, inklusive Widerstandsbewegung und Mordkomplott.
Erinnerung an Flüchtlinge
Wes Anderson zeichnet das Bild einer totalitären Gesellschaft, deren Machthaber per Dekret über Zugehörigkeit oder Ausschluss von Mitgliedern bestimmt. Nicht wenige Zuschauer werden sich dabei an den Umgang mit Geflüchteten oder mehr noch an die Judenverfolgung in Nazideutschland erinnert fühlen. Tatsächlich bleibt Letzteres nicht nur eine Assoziation, wenn irgendwann ein Hunde-KZ ins Bild gerät, das in der Gestaltung seines Eingangstors und in Kobayashis lokalen Plänen an das Vernichtungslager Auschwitz gemahnt.
Das ist starker Tobak; vielleicht hätte diese Überdeutlichkeit nicht unbedingt sein müssen. Dennoch überzeugt „Isle of Dogs“ – und zwar vor allem durch die perfekte ästhetische Stilisierung, die allein schon durch den Rahmen des japanischen Kulturraums gegeben ist. Hinzu kommen Anleihen aus der Welt des Comics, vor allem aber der Rückgriff auf verschiedene Animationstechniken, von Stop-Motion über Scherenschnitt bis zu collagenartigen Bildern. Stark synkopierte Rhythmen für den Soundtrack und synchrone bis oft ruckartige Bewegungen tun ein Übriges, um den Eindruck einer hochstilisierten Welt zu erwecken.
Eines steht jedenfalls fest: Niedlich sind die Angehörigen der im Überlebenskampf zusammengeschweißten Hundebande keineswegs. Sie soll ja im Groben auch die Menschengesellschaft nachbilden in den unterschiedlichsten Typen und in einem Film, der wohl eher für Erwachsene gedacht ist. Hierarchie ist ein bestimmendes Thema auf „Trash Island“ zwischen Persönlichkeiten wie dem attraktiven Showhund, dem Schoßhund, dem ehemaligen Wachhund – und natürlich dem Straßenköter.
Zu dieser Bande der Verbannten stößt dann der elternlose Pflegesohn von Bürgermeister Kobayashi. Auf der Suche nach Spot, seinem geliebten Leibwächterhund, legt der 12-jährige Atari eine Bruchlandung auf der Müllhalde hin; er gewinnt schnell die Unterstützung der geächteten Tiere. Und so erzählt dieser Film letztlich eine Geschichte über Freundschaft, Treue und Unerschrockenheit, wenn er grundsätzlich danach fragt, wer wir Menschen sind und wie wir als Gesellschaft sein wollen. „Isle of Dogs“ ist eine Verbeugung vor dem ermutigenden Heldentum der Kleinen und Schwachen. Vor allem aber ist Andersons neuer Film eine Absage an die Intoleranz. (epd/mig) Aktuell Rezension
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