"Ausgrenzungsland"
Flüchtlingsräte befürchten Stigmatisierung durch Anker-Zentren
Die Kritik an den bundesweit geplanten Anker-Zentren reißen nicht ab. Flüchtlingsräte befürchten systematische Isolation und Stigmatisierung von Geflüchteten sowie "kurze Prozesse". Deutschland entwickle sich vom Integrations- zum Ausgrenzungsland.
Donnerstag, 17.05.2018, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.05.2018, 22:50 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Pläne von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), in ganz Deutschland ein Netz sogenannter Anker-Zentren für Geflüchtete aufzubauen, stoßen bei Unterstützern von Flüchtlingen auf Kritik. „Damit wird das bayerische Modell einer landesweiten Isolation von Geflüchteten zur staatlichen Norm erhoben“, erklärten Pro Asyl und die Flüchtlingsräte der Bundesländer am Mittwoch. In den „Lagern zur Unterbringung und Ausgrenzung von Asylsuchenden“ solle in Schnellverfahren mit Asylanträgen „im wahrsten Sinne des Wortes kurzer Prozess gemacht“ werden.
In den von der Bundesregierung geplanten Anker-Zentren soll künftig das komplette Asylverfahren abgewickelt werden. „Anker“ ist die Kurzform für Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtung. Nach Plänen des Bundesinnenministeriums sollen im Spätsommer bis Herbst bis zu sechs Pilot-Zentren eröffnet werden. Geplant ist die Unterbringung von bis zu 1.500 Personen je Zentrum. Erwachsene alleinstehende Asylbewerber sollen bis zu 18, Familien bis zu sechs Monate in den Zentren bleiben, um sicherzustellen, dass beim Verlassen ihr Asylverfahren beendet ist. Seehofer erhofft sich auch eine Erhöhung der Abschiebezahlen durch die direkte Ausreise aus den Zentren.
Die langfristige Unterbringung in solchen mit Stacheldraht gesicherten Massenunterkünften führe zu einer Stigmatisierung der dort lebenden Menschen, hieß es in der Erklärung von Pro Asyl und den Flüchtlingsräten. Sie würden vom Kontakt zur hier lebenden Bevölkerung „quasi ausgeschlossen“: „Deutschland entwickelt sich vom Integrations- zum Ausgrenzungsland.“
Start mit fünf Pilotprojekten
Im aktuellen Konzept des Bundesinnenministers sei noch nicht einmal die in der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD verabredete Einführung einer unabhängigen Verfahrensberatung vorgesehen, bemängelten Pro Asyl und die Flüchtlingsräte. Dabei habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch im September 2017 eine flächendeckende Einführung der unabhängigen Asylverfahrensberatung empfohlen.
Nach Informationen von Pro Asyl und der Flüchtlingsräte will Seehofer sein Konzept Ende Mai vorstellen. Demnach sollten zunächst fünf Pilotprojekte gestartet werden, im Gespräch dafür seien sind Standorte in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. (epd/mig) Aktuell Panorama
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Die Flüchtlingsräte sollten, bevor sie sich zu Wort melden, ihr Wissen auf das Laufende bringen. Die in Bayern eingerichteten Ankunfts- und Rückführungszenten, die als bundesweites Vorbild für die Anker-Zentren dienen, sind keine geschlossenen, von der Bevölkerung abgeschirmten „Lager“, sondern i.d.R. ehemalige Kaseren, die zu jeder Tages- und Nachtzeit von den dort Untergebrachten verlassen bzw. betreten werden können. Im Übrigen sollen in den Aker-Zentren auch nur die Asylbewerber untergebracht werden, deren Erfolgsaussichten im Asylverfahren gegen „Null“ gehen. Vielleicht nehmen irgendwann auch die selbsternannten „Flüchtlingsräte“ zur Kenntnis, dass nicht jeder, der einen Asylantrag stellt, auch tatsächlich asylberechtigt ist.