Justizministerin Barley
Dobrindt beschädigt den Rechtsstaat
Bundesjustizministerin Katarina Barley hat CSU-Politiker Alexander Dobrindt vorgeworfen, mit seiner Äußerung zur "Anti-Abschiebe-Industrie" den Rechtsstaat beschädigt zu haben. Angesichts des Skandals beim BAMF fordert Barley bundesweite Kontrollen der Asylbescheide.
Montag, 28.05.2018, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.05.2018, 20:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vorgeworfen, mit seiner Äußerung zur „Anti-Abschiebe-Industrie“ den Rechtsstaat beschädigt zu haben. „Gerade staatliche Repräsentanten sollten sich sehr genau überlegen, was sie sagen und tun“, sagte Barley der „Bild am Sonntag“ „Solche Äußerungen schwächen den Rechtsstaat.“ CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte dagegen Verständnis für Dobrindts Außerung. Im Skandal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fordert Barley bundesweite Kontrollen der Asylbescheide.
Zu Dobrindts Wortwohal führte Barley aus, Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte fühlten sich durch solch eine Wortwahl verunglimpft. Sie sei selbst mal Richterin gewesen. „Da stehen sie vorsichtshalber in keinem Telefonbuch. Auch weil die Autorität vor staatlichen Vertretern wie Polizisten oder Richtern dramatisch abgenommen hat.“
Barley: Dobrindts Aussagen zutiefst irritierend
Dobrindt hatte in einem Interview erklärt, es sei „nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird“. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden, sagte er mit Blick auf Menschenrechtsgruppen, die Flüchtlinge auch juristisch unterstützen.
Barley sagte, die Aussagen von Alexander Dobrindt hätten sie zutiefst irritiert. „Die Möglichkeiten des Rechtsstaats dürfen genutzt werden“, unterstrich die Ministerin. „Sich für Flüchtlinge zu engagieren und in diesem Rahmen alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, ist legitim. Im Steuerrecht wird auch jede legale Chance genutzt, um Steuern zu sparen.“
Kramp-Karrenbauer bezeichnete die Äußerung Dobrindts als „Zuspitzung in der politischen Auseinandersetzung.“ Sie selbst würde die Formulierung zwar nicht so wählen, sagte Kramp-Karrenbauer dem „Weser-Kurier“ (Sonntag). „Wir haben ein Asylrecht mit festgelegten Rechtswegen. Wenn die genutzt werden, ist das völlig normal.“ Richtig sei aber auch, dass es unter den engagierten Helfern der Flüchtlinge viele gebe, die Rückführungen und Abschiebungen grundsätzlich ablehnten. „Die gehen zum Teil auch aggressiv vor, um Abschiebungen zu verhindern.“
Barley fordert bundesweite Kontrollen von Asylbescheiden
Angesichts des Skandals beim BAMF fordert Barley bundesweite Kontrollen der Asylbescheide. „Ich würde mir wünschen, dass stichprobenartig generell und überall in Deutschland Asylbescheide überprüft werden“, sagte die Bundesjustizministerin der „Bild am Sonntag“. „Diese Maßnahme könnte helfen, Vertrauen wiederherzustellen“. Ein Generalverdacht gegen alle Mitarbeiter des BAMF sei allerdings fehl am Platz.
In Bremen sollen mehr als 1.100 positive Asylbescheide ohne Rechtsgrundlage ergangen sein. Eine interne Untersuchung des Bundesamts kam zu dem Ergebnis, dass in Bremen überdurchschnittlich häufig unplausible Entscheidungen getroffen wurden.
Ihrem Kabinettskollegen, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), traut die Justizministerin die Aufklärung des Skandals zu: „Man muss ihm eine Chance dafür geben. Er ist ja erst seit gut zwei Monaten im Amt“, sagte sie. Gleichzeitig drang Barley auf zügige Maßnahmen: „Ich erwarte aber schon, dass Seehofer die Missstände beim BAMF umfassend aufklärt und Strukturen schafft, die eine Wiederholung unmöglich machen.“ Das Land brauche „jetzt rasch Klarheit, was beim BAMF schiefgelaufen ist“.
Jelpke: Fehlerhafte BAMF-Bescheide der eigentliche Skandal
Das Bundesamt hat umfangreiche Überprüfungen angekündigt. Unter anderem sollen alle seit 2000 in Bremen erteilten positiven Asylbescheide erneut geprüft werden. Insgesamt sind das rund 18.000 Verfahren. Auch weitere Außenstellen, deren Schutzquoten weit vom Durchschnitt abweichen, werden untersucht.
In einem Gastbeitrag in diesem Magazin kritisiert Ulla Jelpke, Massenhaft fehlerhafte BAMF-Bescheide seien der eigentliche Skandal. Während öffentlichkeitswirksam über in Einzelfällen womöglich zu Unrecht erfolgte Flüchtlingsanerkennungen in Bremen debattiert wird, erregen die vielen fehlerhaften und rechtswidrigen Ablehnungsbescheide des BAMF im ganzen Bundesgebiet kaum Aufmerksamkeit. (epd/mig) Aktuell Politik
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