Flüchtlingspolitik
Italien sperrt Häfen für Rettungsschiff. Spanien springt ein.
Dass Italien nicht für alle Mittelmeer-Flüchtlinge zuständig sein will, ist nicht neu. Rettungsschiffe nicht an Land zu lassen, hingegen schon. Helfer sprechen von Populismus auf dem Rücken der Migranten. Spanien springt ein.
Dienstag, 12.06.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.06.2018, 23:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Spanien will das Rettungsschiff „Aquarius“ mit 629 Flüchtlingen an Bord einlaufen lassen, nachdem Italien sich geweigert hat, die Migranten aufzunehmen. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez habe entsprechende Anweisungen gegeben, hieß es in einer Regierungserklärung am Montag. Der Präsident der Regionalregierung von Valencia, Ximo Puig, erklärte, die Stadt sei bereit, das Schiff anlegen zu lassen. An Bord der „Aquarius“ befinden sich laut „Ärzte ohne Grenzen“ mehr als 100 Minderjährige, sieben Schwangere und mehrere Verletzte.
Die Fahrt nach Valencia kann laut SOS Mediterranée, die das Schiff betreibt, zwei bis drei Tage dauern. Eine entsprechende Anweisung durch die Seenot-Rettungsleitstelle in Rom, die den Einsatz koordiniert, stehe noch aus.
„Sieg! Erstes Ziel erreicht!“
Der italienische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega hatte am Sonntagabend angekündigt, keine Flüchtlingsschiffe mehr in die Häfen seines Landes zu lassen. Unter dem Hashtag „Wir schließen die Häfen“ kritisierte er, Malta nehme keine Flüchtlinge auf, Frankreich weise Migranten an der Grenze zurück, Spanien verteidige seine Grenzen mit Waffen.
„Von heute an wird auch Italien Nein zum Menschenhandel, Nein zum Geschäft der illegalen Einwanderung sagen“, erklärte Salvini. Zugleich drohte er, das Schiff der deutschen Organisation Sea-Watch, das derzeit im Rettungseinsatz ist, am Anlegen zu hindern. Nach der Bekanntgabe der Aufnahme durch Spanien twitterte er „Sieg! Erstes Ziel erreicht!“
Appell aus Berlin
Die EU-Kommission begrüßte die Entscheidung Spaniens. Das sei gelebte Solidarität, erklärte Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Zuvor hatte die Kommission die Beteiligten dazu aufgerufen, für eine schnelle Anlandung der Geretteten zu sorgen. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, appellierte derweil in Berlin „an alle Beteiligten, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden“. Die UN hatten Italien und Malta dazu aufgerufen, einen Hafen zu öffnen. Die Vorräte an Bord gingen langsam zur Neige.
Amnesty International erklärte, Italien und Malta hätten ihre Verpflichtungen nach internationalem Recht missachtet. Je länger ein Schiff darauf warten müsse, anlegen zu können, desto weniger Schiffe könnten weitere Flüchtlinge retten.
Verständnis mit Italien
Die Organisationen, die Rettungsschiffe betreiben, äußerten Verständnis für die Forderung Italiens, mit der Versorgung der Flüchtlinge nicht allein gelassen zu werden. „Wegen der Dublin-Regelungen sind die anderen EU-Staaten mitverantwortlich“, sagte Ruben Neugebauer von Sea-Watch. „Wenn aber Salvini an der Lage etwas ändern möchte, sollte er sich Lösungen überlegen und das Problem nicht einfach auf die abwälzen, die am wenigsten dafür können.“
Auch Verena Papke von SOS Mediterranée sieht ein Problem darin, dass laut EU-Politik immer das Land für einen Flüchtling zuständig ist, in dem er in die EU eingereist ist. „Aber Italien ist zuständig, wenn im Mittelmeer gerettet wird.“ Die Einsätze der „Aquarius“ seien mit der italienischen Seenot-Rettungsleitstelle in Rom abgesprochen, die dem Schiff bislang immer einen Hafen zugewiesen habe.
Ein populistisch politisches Manöver
Die medizinische Situation der Geretteten ist laut „Ärzte ohne Grenzen“, die die Flüchtlinge auf der „Aquarius“ versorgt, stabil. Aber die Verzögerung sei ein Risiko für die Schwangeren, 15 Patienten mit chemischen Verbrennungen und mehreren mit kritischen Unterkühlungen. Die Geflohenen an Bord der „Aquarius“ stammen laut Papke aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara und wurden aus internationalen Gewässern vor der libyschen Küste gerettet.
Neugebauer betonte, die „Sea-Watch 3“ sei derzeit auf Anfrage der Seenot-Rettungsleitstelle in Rom vor der libyschen Küste. „Was wir hier erleben, ist ein populistisch politisches Manöver.“ Zugleich hießen italienische Städte sie immer wieder willkommen. „Theoretisch könnten wir auch in einem Hafen in Frankreich oder Spanien anlegen.“ Aber das sei eine zusätzliche Belastung für die oftmals geschwächten Geretteten. (epd/mig) Ausland Leitartikel
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