Armut-Studie
Kinder mit Migrationshintergrund unzufriedener
Das Einkommen von einem Elternteil reicht häufig nicht mehr aus, um die Familie zu ernähren. Wenn Mütter keinen Job haben, sind Kinder laut einer Studie oft von Armut bedroht. Betroffen sind überdurchschnittlich häufig auch Kinder mit Migrationshintergrund.
Donnerstag, 28.06.2018, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:42 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mehr als jedes zweite Kind ist einer Studie zufolge von Armut bedroht, wenn in der Familie die Mutter keine Arbeit hat. Eine hohe Armutsquote wurde auch in Familien mit Migrationshintergrund verzeichnet. Noch gravierender ist die Situation bei alleinerziehenden Müttern: Sind sie nicht erwerbstätig, wachsen die Kinder fast immer (96 Prozent) in Armut auf, wie die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Vorstellung der Studie erklärte. Die Stiftung wirbt für ein Teilhabegeld, das die Hilfen für ärmere Familien bündelt. Auch die Diakonie und das Deutsche Kinderhilfswerk mahnen bessere Hilfen für Kinder aus armen Familien an.
Hat ein Elternteil in einer Paarfamilie längere Zeit keine Arbeit, erlebe fast jedes dritte Kind dauerhaft oder wiederkehrend Armut, heißt es in der Studie. Bei einer alleinerziehenden Mutter machten sogar noch 16 Prozent der Kinder zeitweise Armutserfahrungen, selbst wenn die Mutter über einen längeren Zeitraum mehr als 30 Wochenstunden arbeite. Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung oder einem Minijob der Mutter leben laut Studie noch 20 Prozent der Kinder dauerhaft und 40 Prozent zeitweise in Armut.
„Gleiches zeigt sich für Kinder mit mehr als zwei Geschwistern, mit einem Migrationshintergrund oder mit gering qualifizierten Eltern“, heißt es in der Studie. Kinder ohne Migrationshintergrund und solche, die in Westdeutschland und eher in ländlichen Regionen leben, haben der Studie zufolge eine höhere Wahrscheinlichkeit in einer dauerhaft gesicherten Einkommenssituation aufzuwachsen. Ist mindestens ein (Groß-)Elternteil außerhalb Deutschlands geboren, wird für Kinder ein Migrationshintergrund angenommen.
Warnung vor Ausgrenzung
Als arm gelten in der Studie Kinder, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens auskommen müssen oder staatliche Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV beziehen. Armut in Deutschland bedeute in der Regel nicht, obdachlos oder hungrig zu sein, erklärte die Stiftung. Die Kinder erlebten jedoch materielle Entbehrungen und weniger soziale Teilhabe.
Die Autoren der Studie warnen vor einer Ausgrenzung von ärmeren Kindern. Von Kindern und Jugendlichen aus finanziell abgesicherten Haushalten sind mehr 75 Prozent in Vereinen aktiv. Bei Kindern aus ärmeren Familien sind es nur halb so viele (40 Prozent). Doppelt so viele aus ärmeren Familien als aus finanziell abgesicherten Familien könnten nach eigenen Angaben nicht an Freizeitaktivitäten ihrer Wahl teilnehmen.
Migranten unzufriedener
Das Einkommen sowie die Qualifikation der Eltern wirkt sich zudem signifikant auf die Zufriedenheit von Kindern aus. In allen untersuchten Modellen zeigt sich der Studie zufolge „ein signifikanter negativer Effekt des Migrationshintergrunds. Ein solcher verringert die Zufriedenheit mit dem Lebensstandard“, heißt es.
Die Bertelsmann Stiftung fordert ein Teilhabegeld, das Hilfen wie Kindergeld, den Kinderzuschlag, Hartz IV-Regelsatz für Kinder sowie Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets bündeln soll. Diese Hilfe solle abhängig vom Einkommen der Familien gezahlt werden. „Das vorhandene Geld muss dort ankommen, wo es am meisten gebraucht wird“, sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Außerdem müsse es Müttern erleichtert werden, arbeiten zu gehen.
Kinderhilfswerk fordert Familienförderung
Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert die Bundesregierung auf, die Familienförderung konsequenter auf die Bekämpfung von Kinderarmut auszurichten. So müssten Voraussetzungen für die Arbeit beider Elternteile verbessert werden, erklärte das Hilfswerk am Mittwoch in Berlin. Besonders unterstützt werden müssten alleinerziehende Elternteile. Um eine gerechte Teilhabe von Kindern zu ermöglichen, mahnte das Kinderhilfswerk ein soziokulturelles Existenzminimum sowie einen Rechtsanspruch auf Förderung durch ein Bundeskinderteilhabegesetz an.
Grundlage für die Studie „Lebensumstände von Kindern im unteren Einkommensbereich“ ist den Angaben zufolge die repräsentative Längsschnittstudie „Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung“, in der seit 2006 jährlich etwa 15.000 Menschen ab 15 Jahren befragt wurden. Dafür wurden Informationen von fast 3.200 Kindern über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewertet. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft Studien
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