Interview mit Sven Giegold
Europäische Asylpolitik ist Armutszeugnis
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold bezeichnet im Gespräch die Pläne der europäischen Asylpolitik als Armutszeugnis. Er hat gemeinsam mit zwei weiteren Mitstreitern eine Petition gestartet, in der eine humane, an Lebensrettung orientierte Flüchtlingspolitik gefordert wird. Bis Donnerstagnachmittag unterzeichneten mehr als 30.000 Menschen. Von Patricia Averesch
Von Patricia Averesch Freitag, 13.07.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.07.2018, 21:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Herr Giegold, inwiefern darf sich die Europäische Union aus Ihrer Sicht als Wertegemeinschaft bezeichnen?
Sven Giegold: Die Europäische Union ist nicht einfach ein Klub zur besseren Durchsetzung der Interessen der Mitgliedstaaten, sondern eine Wertegemeinschaft. Wir haben die Verfolgung eigener Interessen mit dem Respekt für die Grundwerte Europas verbunden. Das war nie perfekt, genauso wie Deutschland nie perfekt die Werte des Grundgesetzes in die Realität umgesetzt hat. Jetzt haben die europäischen Staatschefs allerdings gemeinsam beschlossen, Europa abzuschotten und Menschen damit die Möglichkeit zu nehmen, überhaupt noch auf europäischem Grund einen Asylantrag stellen zu können. Das birgt die Gefahr, dass man nicht mehr erhobenen Hauptes von Europa als Wertegemeinschaft sprechen kann.
Private Rettungsschiffe sitzen derzeit in Mittelmeer-Häfen fest. Wie soll es weitergehen?
Sven Giegold: Wir verlieren unsere Würde, wenn wir uns weigern, Schiffbrüchige aufzunehmen, um ihnen so die Flucht zu erschweren. Es stirbt auch das Recht, denn Schiffe und Häfen sind nach internationalen Seerecht zur Aufnahme von Schiffbrüchigen verpflichtet. Humanitäre Hilfe wird kriminalisiert: Seenotretter müssen sich öffentliche Beschimpfungen gefallen lassen und werden wie der deutsche „Lifeline“-Kapitän sogar strafrechtlich verfolgt. Das ist ein Armutszeugnis für Europa.
Ihre Petition hat schon mehr als 30.000 Unterstützer. Sie richtet sich auch direkt an die Kirchen. Warum?
Sven Giegold: Wir wollen, dass sich sowohl die katholischen als auch die evangelischen Kirchenleitungen in Europa stärker positionieren, wenn sich die Asylpolitik – wie in den letzten Wochen geschehen – dramatisch verschiebt. Wenn der deutsche Innenminister darüber Witze macht, dass passend zu seinem 69. Geburtstag 69 Flüchtlinge abgeschoben werden und ein Abgeschobener sich hinterher umbringt, braucht es Stellungnahmen. Wenn es dazu keine gibt, droht eine Verrohung der Debatte und des öffentlichen Klimas. Der müssen wir als Christinnen und Christen entgegenhalten. (epd/mig) Aktuell Interview Politik
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