Stiftung als Alternative
Baden-Württemberg will Islam-Unterricht neu organisieren
Das Angebot eines islamischen Religionsunterrichts stellt die Politik vor organisatorische und juristische Probleme. Baden-Württemberg erwägt jetzt die Gründung einer Stiftung, die den Unterricht tragen soll.
Donnerstag, 19.07.2018, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.07.2018, 15:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg will den islamischen Religionsunterricht neu organisieren und dafür eine bundesweit einzigartige Stiftung gründen. Ihm fehle der verbindliche Ansprechpartner, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Wir brauchen Provisorien, damit wir einen Religionsunterricht mit einer provisorischen Trägerschaft anbieten können. Die Verbände, mit denen wir im Moment verhandeln, sind türkisch dominiert“, fügte der Grünen-Politiker hinzu.
Wie das Kultusministerium in Stuttgart auf Anfrage bestätigte, könnte eine solche Stiftung eine Alternative zum auslaufenden Modellprojekt sein. „Das vorgeschlagene Stiftungsmodell böte sich als eine denkbare Weiterentwicklung an, deshalb nehmen wir nun die Verhandlungen dazu auf. Unser Ziel ist es, muslimischen Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg weiterhin eine fundierte, kritische und werteorientierte Auseinandersetzung mit ihrer Religion zu ermöglichen“, erklärte die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU).
Christlicher Religionsunterricht an Schulen wird in Verantwortung der Kirchen erteilt. Beim islamischen Religionsunterricht gestaltet sich dieser Anspruch schwierig, weil die muslimischen Verbände anders als die christlichen Kirchen nicht als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt sind. Weil es daher an einem einheitlichen Gegenüber fehlt, kooperieren die Bundesländer beim islamischen Unterricht teilweise auch über Beiratsmodelle, bei denen staatliche Akteure die Inhalte mitbestimmen, mit den vor Ort verfügbaren Verbänden oder Vereinen. Jedes Bundesland regelt den Unterricht in eigener Regie.
Modellprojekten mit muslimischen Partnern
In Baden-Württemberg erhalten rund 6.000 Schüler islamischen Religionsunterricht in Modellprojekten mit muslimischen Partnern, wie der Mediendienst Integration im April mitteilte. Ursprüngliches Ziel des Modellprojekts war es laut Kultusministerium, dass sich die wichtigen islamischen Verbände in Baden-Württemberg so organisieren und verständigen, dass eine gemeinsame Trägerschaft für den islamischen Religionsunterricht in Baden-Württemberg möglich wird. Das Modellprojekt war aufgrund eines Beschlusses der damaligen Landesregierung aus dem Jahr 2014 bis zum Ende des aktuellen Schuljahres 2017/18 befristet, so das Ministerium.
Eine Übergabe der Trägerschaft des Religionsunterrichts an die Verbände sei aus rechtlichen Gründen bis auf weiteres nicht möglich, hieß es weiter. Zur Sicherung der Kontinuität des Angebots sei eine Verlängerung um ein Jahr, also bis zum Ende des Schuljahres 2018/19 erforderlich: „Diese Verlängerung hat die Landesregierung am 19. Juni 2018 beschlossen. In Zwischenzeit soll auf politischer Ebene das weitere Vorgehen erörtert und über die künftige Trägerschaft des islamischen Religionsunterrichts beraten und entschieden werden.“
Sunnitischer Schulrat als Stiftung
Die „Südwest Presse“ berichtet unter Berufung auf Koalitionskreise, dass das Land einen sunnitischen Schulrat als Stiftung des öffentlichen Rechts einrichten will mit Geschäftsstelle, Vorstand und Schiedsstelle. Der Schulrat könnte auf Basis eines Grundlagenvertrags arbeiten, den das Land mit den Verbänden abschließen müsste. Verbandsvertreter würden demnach im Vorstand sitzen, aber auch andere Islamexperten; die Geschäftsstelle würden Landesbeamte betreiben, die Schiedsstelle würde mit unabhängigen Experten besetzt.
„Wir haben Verbände, die meinen, sie seien Religionsgemeinschaften. Das sind sie aber nicht. Da es in den islamischen Staaten keine Trennung von Staat und Moschee gibt, ist der Islam nicht zivilgesellschaftlich institutionalisiert“, sagte Kretschmann der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Die Lösung ist, dass wir ein verfassungsfestes Provisorium installieren, das dann den Religionsunterricht für Muslime trägt. Das Problem ist jedoch, dass wir die Trennung von Staat und Kirche einhalten müssen. Aber nur dieser Religionsunterricht findet im öffentlichen Raum und nicht in der Hinterhofmoschee statt. Er muss kontrollierbar sein. Das ist uns wichtig“, unterstrich Kretschmann. (epd/mig) Aktuell Politik
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