Abschiebe-Beobachter
„Es wäre besser, das Geld in die Integration zu investieren.“
Felix Wieneke ist Abschiebe-Beobachter am Hamburger Flughafen. Seine Arbeit beginnt, wenn die Mitarbeiter der Ausländerbehörde die Flüchtlinge zum Flughafen bringen. Von Thomas Morell
Freitag, 27.07.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.08.2018, 19:05 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Kurz bevor Flüchtlinge vom Hamburger Flughafen abgeschoben werden, treffen sie noch auf einen Menschen, der es gut mit ihnen meint. Felix Wieneke ist Abschiebe-Beobachter der Diakonie: Er spricht mit den Menschen, erkundigt sich nach ihrer Gesundheit und achtet darauf, dass alle notwendigen Papiere da sind. „Die Menschen sind sehr dankbar, wenn jemand anderes noch einmal drüber sieht.“ Verhindern kann der 29-Jährige eine Abschiebung allerdings nicht.
Weil Abschiebungen meist in den frühen Morgenstunden erfolgen, muss auch Felix Wieneke früh raus. Seine Arbeit beginnt, wenn die Mitarbeiter der Ausländerbehörde die Flüchtlinge von ihrer Unterkunft oder aus dem Abschiebegewahrsam zum Flughafen bringen. „Eine Abschiebung ist immer eine Belastung – egal wo es hingeht.“ Fast alle seien sichtlich gestresst, manche verzweifelt, andere traurig. Gesprochen wird meist englisch. Wenn die Flüchtlinge schon länger in Deutschland gelebt haben, geht es auch auf Deutsch.
Keine Routine
Auch nach vier Monaten als Abschiebe-Beobachter gibt es für Felix Wieneke keine Routine. In den meisten Fällen geht der Flug in ein anderes EU-Land, weil nach derzeitiger Rechtslage Flüchtlinge dort Asyl beantragen müssen, wo sie in die EU eingereist sind. An der umstrittenen Abschiebung von 69 Afghanen, von denen einer aus Hamburg in Kabul Suizid beging, war er nicht beteiligt, weil der Flug von München startete.
Nach seinem Studium der Kultur- und Politikwissenschaft in Lüneburg arbeitete er zunächst in einem Projekt zur Unterbringung von Flüchtlingen am Hamburger Hauptbahnhof. Am Anfang war er skeptisch, ob er auf das Stellenangebot des Diakonischen Werks als Abschiebebeobachter eingehen sollte. Doch dann hat er den Schritt gewagt und es bisher nicht bereut. „Aber es ist härter als gedacht.“
Psychisch belastend
Die Arbeit mit Menschen, die unmittelbar ihrer Abschiebung entgegensehen, ist auch für ihn selbst psychisch belastend. Die Diakonie bietet Supervisionsgespräche an. Abstand gewinnt er aber auch beim Radfahren und beim Komponieren elektronischer Musik.
950 Menschen wurden im vorigen Jahr vom Hamburger Flughafen aus abgeschoben, rund 300 weniger als im Jahr zuvor. Allerdings rechnet Felix Wieneke nach der aktuellen Debatte mit steigenden Zahlen. Nicht immer kann er vor Ort sein, weil nahezu täglich Menschen abgeschoben werden. Seine Teilzeitstelle ist zudem befristet bis 2020.
„Das nützt niemandem“
Schon einmal gab es von 2009 bis 2015 mit Astrid Schukat eine Abschiebe-Beobachterin am Flughafen. Weil die benachbarten Bundesländer sich nicht auf eine Finanzierung einigen konnten, wurde das Projekt beendet. Im vorigen Jahr beschloss der Hamburger Senat, die 60.000 Euro allein zu finanzieren. Ähnliche Einrichtungen wie in Hamburg gibt es auch an den Flughäfen in Berlin, Düsseldorf und Hannover.
Dass Flüchtlinge am Ende ausreisen müssen, lässt ihn unbefriedigt zurück. „Vielleicht wäre es besser, das Geld für Abschiebungen in die Integration zu investieren.“ Vor allem die Rückführung von Flüchtlingen in andere europäische Länder kritisiert er. „Das nützt niemandem.“ Und doch findet er seine Arbeit sinnvoll. Regelmäßig berichtet er im Flughafen-Forum darüber. Dort sitzen Vertreter von Kirche und Flüchtlingsorganisationen sowie der Bundespolizei und Ausländerbehörden. Es habe den Eindruck, dass seine Einschätzungen dort auch gehört werden. Beim Schutz der Betroffenen, so seine Kernforderung, dürften keine Abstriche gemacht werden. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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Wenn Herr Wieneke Abschiebungen ablehnt muss er mal tief in sich gehen und nachdenken, ob er der Richtige für diese Position ist. Unser Asylrecht funktioniert nur wenn abgelehnte Asylbewerber auch tatsächlich das Land verlassen, egal ob freiwillig oder unter Zwang.