Debatte um Spurwechsel
FDP-Politiker fordern Tempo und Steuerung bei Fachkräfte-Zuwanderung
Die FDP hat eigene Vorschläge zur Vereinfachung und Steuerung der Zuwanderung von Fachkräften vorgelegt. Unterdessen geht die Debatte um den "Spurwechsel" für gut integrierte Flüchtlinge weiter. Von Bettina Markmeyer
Mittwoch, 22.08.2018, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.08.2018, 17:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Von den Erfolgen anderer lernen und ausweiten, was in Deutschland schon funktioniert: Mit diesem Rezept wollen führende FDP-Politiker die Zuwanderung von Fachkräften beschleunigen und steuern. Der Vize-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae und der Arbeitsmarktexperte der Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, stellten am Dienstag in Berlin Eckpunkte vor. Im Kern setzen die Liberalen danach auf die Einführung eines Punktesystems und die Öffnung der Blue Card für Fachkräfte. Für Flüchtlinge wollen sie den „Spurwechsel“ auf den Arbeitsmarkt.
SPD-Politiker plädierten unterdessen für eine Stichtagsregelung beim „Spurwechsel“. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck forderte die Union auf, ihre Realitätsverweigerung aufzugeben. Sie stoße damit viele Betriebe vor den Kopf. Noch am Montag hatte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sich klar gegen den „Spurwechsel“ ausgesprochen.
Die Blue Card der EU erhalten bisher nur Akademiker. Sie dürfen sich zunächst befristet niederlassen und auch ihre Familie mitbringen, wenn sie einen Arbeitsplatz haben und einen relativ hohen Verdienst nachweisen können. Vogel und Thomae forderten, die Blue Card für alle Fachkräfte zu öffnen und die überhöhten Verdienstanforderungen auf Einstiegsgehälter zu senken. Außerdem müssten die Anerkennungsverfahren für ausländische Berufsabschlüsse bundesweit vereinheitlicht werden. Sie dauerten viel zu lange.
FP will Einreise zur Jobsuche erlauben
Flankierend wollen die Liberalen auch die Einreise zur Jobsuche ermöglichen – und das nicht nur für sechs Monate, wie es die Koalition in ihrem Eckpunktepapier vorschlägt, sondern für 18 Monate. Sozialleistungen sollen in dieser Zeit ausgeschlossen sein. Darin stimmen die Liberalen mit Union und SPD überein. Die Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt soll nach den Vorstellungen der FDP-Politiker über ein Punktesystem gesteuert werden – wie es in der Vergangenheit schon häufig diskutiert wurde. Dabei spielen Kriterien wie der Bildungsgrad, Alter, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse eine Rolle sowie der jeweilige Bedarf an Fachkräften in Deutschland.
Vogel und Thomae warfen der SPD vor, beim Thema Punktesystem eingeknickt zu sein. Alle Länder, die Einwanderung erfolgreich steuerten, hätten ein Punktesystem. Deutschland könne wegen seines unübersichtlichen und restriktiven Systems bei der Anwerbung internationaler Fachkräfte nicht konkurrieren, warnten die FDP-Politiker. Sie sprachen sich auch für den „Spurwechsel“ für Flüchtlinge aus. Es müssten dafür allerdings dieselben Kriterien gelten wie für zuwanderungswillige Arbeitskräfte, sagte Vogel.
Kein Punktesystem
Das Bundesinnenministerium, das Arbeits- und das Wirtschaftsministerium hatten in der vergangenen Woche ein Eckpunktepapier für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorgelegt. Darin sind ein Punktesystem und der „Spurwechsel“, also ein Wechsel aus dem Asylverfahren in ein Zuwanderungsverfahren zur Arbeit, nicht vorgesehen. Die SPD hatte sich in der vergangenen Legislaturperiode noch für ein Einwanderungsgesetz mit Punktesystem starkgemacht.
Nun werben die Sozialdemokraten für den „Spurwechsel“. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl und der innenpolitische Sprecher Burkhard Lischka schlugen eine Stichtagsregelung vor. Danach sollen alle gut integrierten Ausländer, die bis zum 1. August 2018 in einer Ausbildung waren oder einen regulären Arbeitsplatz hatten, die Möglichkeit erhalten, einen Aufenthalt zu bekommen – auch wenn sie als Asylbewerber abgelehnt wurden.
Habeck fordert Umdenken
Grünen-Chef Habeck forderte mit Blick auf neue Zahlen zur Berufstätigkeit von Flüchtlingen von der Union ein Umdenken. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Es ist doch völlig unsinnig, wenn Handwerksbetriebe und Unternehmen Geflüchtete ausbilden oder anstellen und diese Mitarbeiter dann einfach abgeschoben werden.“
Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Mai rund 300.000 Menschen aus den acht Hauptfluchtländern beschäftigt, darunter Syrien und Afghanistan. Das waren rund 100.000 mehr als im Vorjahresmonat. Ihnen stehen knapp 500.000 Menschen (Juli 2018) aus denselben Ländern gegenüber, die arbeitssuchend gemeldet sind. Enthalten sind auch alle, die noch Sprach- und Integrationskurse machen. Knapp 200.000 sind arbeitslos gemeldet. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
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