Chemnitz
Polizei inhaftiert Mitglieder selbst ernannter „Bürgerwehr“
Die Polizei in Chemnitz hat Mitglieder einer selbst ernannten "Bürgerwehr" inhaftiert. Sie sollen bereits nächste Woche vor Gericht gestellt werden. Die 15 Männer hatten nach einer rechten Demo am Freitagabend junge Leute bedroht und attackiert.
Montag, 17.09.2018, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.09.2018, 22:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach einer Demonstration der rechtspopulistischen Initiative „Pro Chemnitz“ am Freitagabend hat die Polizei mehrere Mitglieder einer selbst ernannten „Bürgerwehr“ festgenommen. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft vom Samstag begaben sich 15 Männer im Alter bis 33 Jahren im Anschluss an den rechten Aufzug auf die Chemnitzer Schlossteichinsel, wo sie sich gegenüber einer Gruppe Geburtstag feiernder Jugendlicher als „Bürgerwehr“ ausgaben und deren Ausweise verlangten. Wegen der bedrohlichen Situation hätten die jungen Leute ihre Feier abgebrochen und die Polizei alarmiert.
Im Anschluss attackierten die 15 Personen eine weitere siebenköpfige Gruppe aus Deutschen, Iranern und Pakistanern, die ebenfalls auf der Insel saßen. Sie kreisten sie ein und beleidigten sie fremdenfeindlich. In der Folge wurde ein 26-jähriger Iraner durch einen Gegenstand leicht verletzt.
Haft im beschleunigten Verfahren
Die alarmierten Einsatzkräfte nahmen die Angreifer fest. Sechs der Tatverdächtigen wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft am Samstag dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt. Gegen einen 31-Jährigen erging ein Haftbefehl. Die fünf anderen wurden im beschleunigten Verfahren inhaftiert. Gegen sie soll in der kommenden Woche vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Die anderen neun wurden wieder auf freien Fuß gesetzt. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft wird den Männern Landfriedensbruch und Körperverletzung vorgeworfen.
Die sächsische Linke erklärte am Wochenende, immer öfter trieben in Sachsen selbst ernannte „Bürgerwehren“ ihr Unwesen und maßten sich polizeiliche und staatliche Befugnisse an. „Es gibt aber keine Rechtfertigung für Selbstjustiz, auch nicht nach einem abscheulichen Tötungsdelikt wie dem an Daniel H.“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im sächsischen Landtag, Enrico Stange. Der Innenminister sei gefordert, die Polizei gegen diese illegalen „Bürgerwehren“ in Stellung zu bringen, die Hintergründe ihres Bestehens und ihrer Aktivität aufzuklären und diese zu unterbinden.
Hakenkreuz-Anhänger und Hitlergruß
An der rechten Demonstration am Freitagabend nahmen nach Polizeiangaben etwa 3.500 Menschen teil. Laut Polizei verlief der Aufzug selbst störungsfrei. Es gab 18 Anzeigen vorwiegend wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sowie gegen das Waffengesetz.
Mehrere der Demonstranten hätten Schutzbewaffnung oder Vermummungsgegenstände mit sich geführt. Ferner habe ein 26-Jähriger eine Kette mit einem Hakenkreuz-Anhänger getragen und ein Versammlungsteilnehmer den Hitlergruß gezeigt. Gegen beide werde wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Die Polizei war mit 900 Beamten sowie mit einer Reiterstaffel und Wasserwerfern vor Ort.
Barley erwartet Konsequenzen nach Hitlergruß
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erwartet ein konsequentes Vorgehen gegen jene, die bei den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz den Hitlergruß gezeigt haben. Wenn dies ohne Folgen vor den Augen der Polizei geschehen sei, bedeute dies nicht, dass die Täter straflos ausgingen, sagte Barley der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Anhand von Videos würden zum Beispiel die Gewalttäter vom G-20-Gipfel im vergangenen Jahr in Hamburg noch heute zur Verantwortung gezogen. „Auch in Chemnitz werden Strafverfahren folgen“, bekräftigte Barley. Die Ministerin rief die Bürger zu Wachsamkeit auf. „Wer nicht als Kulisse für einen rechtsradikalen Mob dienen will, darf bei solchen Demonstrationen nicht einfach mitlaufen.“
In der Nacht zum 26. August wurde am Rande des Chemnitzer Stadtfestes der 35-jährige Deutsch-Kubaner Daniel H. erstochen. Die Täter sollen drei Asylbewerber aus dem Irak und Syrien sein, von denen einer flüchtig ist. Einer der Tatverdächtigen bestreitet die Tat. Der Vorfall löste in Chemnitz mehrere rechtsgerichtete Demonstrationen und Gegenveranstaltungen mit jeweils Tausenden Teilnehmern aus. Es kam wiederholt zu Ausschreitungen mit Verletzten sowie zu Angriffen auf Polizisten und Journalisten. (epd/mig) Aktuell Panorama
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