Josef Schuster
Judenfeindschaft verbreitet sich beängstigend schnell
In Berlin sind am Dienstag drei orthodoxe Rabbiner und drei jüdische Kantoren in einem Festakt in ihre Ämter eingeführt worden. Es war die erste Ordination orthodoxer Rabbiner seit 1945 in der Hauptstadt.
Mittwoch, 10.10.2018, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.10.2018, 20:42 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Erstmals seit dem Holocaust sind am Dienstag wieder drei orthodoxe Rabbiner in Berlin ordiniert worden. Die drei Absolventen des 2009 wiedergegründeten orthodoxen Rabbinerseminars der Hauptstadt sind in jüdischen Gemeinden in Berlin, Basel und Magdeburg tätig. Drei ebenfalls ordinierte jüdische Kantoren, die als Vorbeter in ihren Gemeinden fungieren, wurden am Leipziger Institut für Traditionelle Jüdische Liturgie ausgebildet.
An dem Festakt in der Beth Zion Synagoge in Berlin-Mitte nahmen neben Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller, Bundesaußenminister Heiko Maas (beide SPD) und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und der Präsident des Jüdischen Weltkongresses und Gründer der Lauder-Stiftung, Ronald S. Lauder, teil. Schuster beklagte, dass es im zurückliegenden Jahr in Deutschland nicht einfacher geworden sei, Jüdischsein selbstbewusst zu leben und dass sich der Antisemitismus wieder in „beängstigender Geschwindigkeit“ im Land verbreite. Er rief die nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft dazu auf, gegen die Judenfeindschaft aktiv zu werden.
In Deutschland gehörten Religionsfreiheit und persönliche Freiheit zu den Grundrechten, sagte Schuster. Freiheit bedeute, Kippa und Davidstern offen tragen zu können, ohne angepöbelt, angestarrt oder geschlagen zu werden. Sie bedeute auch, offen als Jude leben zu können, „ohne als Kindermörder, Spekulant oder Raffzahn diffamiert zu werden“, so der Zentralratspräsident: „Doch so vehement wie lange nicht muss die jüdische Gemeinschaft derzeit für diese Grundrechte kämpfen.“
Maas: „Lassen wir sie nicht allein“
Bundesaußenminister Maas sprach von einem Vertrauensvorschuss für Rechtsstaat und Demokratie, dass in Berlin als Ort, an dem Deportation und Vernichtung der Juden geplant wurden, heute wieder die größte jüdische Gemeinde Deutschlands lebe und Rabbiner ausgebildet und ordiniert würden. „Das ist ein Geschenk für uns – ein unverdientes Geschenk“, das mit allen Kräften bewahrt und verteidigt werden müsse, sagte Maas. Die Verantwortung, jüdisches Leben zu schützen, ende für die deutsche Gesellschaft nie. Die am Dienstag ordinierten Rabbiner und Kantoren würden in ihren Gemeinden mit dazu beitragen, dass Deutschland nach wie vor ein lebenswerter Ort für Juden sei. „Lassen wir sie nicht allein und unterstützen sie nach Kräften“, appellierte der Außenminister.
Ordinationsfeiern von Absolventen des Berliner Rabbinerseminars gibt es in der Regel alle zwei Jahre immer in einer anderen Stadt. Derzeit studieren neun angehende Rabbiner an der orthodox ausgerichteten Lehreinrichtung. Das Seminar wird vom Zentralrat der Juden und der Ronald S. Lauder Foundation getragen. Sein 1938 von den Nazis zwangsweise geschlossener Vorläufer galt als wichtigste Ausbildungsstätte orthodoxer Rabbiner in Westeuropa. Rabbiner des liberalen Judentums werden am Berliner Abraham-Geiger-Kolleg in Kooperation mit der Universität Potsdam ausgebildet. (epd/mig) Aktuell Panorama
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