"Verpflichtende Solidarität"
EU-Gipfel ohne Fortschritte bei Flüchtlingsverteilung
Originelle Wortschöpfungen gibt es in der EU-Politik immer wieder. Ein neues Exemplar ist die "verpflichtende Solidarität", die sich auf Flüchtlinge bezieht. Überzeugt hat das dahinterstehende Konzept beim EU-Gipfel zumindest eine Teilnehmerin nicht. Von Phillipp Saure
Freitag, 19.10.2018, 5:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 21.10.2018, 18:13 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich gegen einen neuen Vorschlag Österreichs gestellt, den Streit um die Flüchtlingspolitik in Europa zu lösen. Es dürfe nicht dahin kommen, dass die Ankunftsstaaten mit den Flüchtlingen wieder alleingelassen würden, sagte Merkel am Donnerstag nach dem EU-Gipfel mit Blick auf das von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz vorgestellte Konzept der „verpflichtenden Solidarität“. Kurz hatte vorgeschlagen, dass Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sich in anderer Weise engagieren. „Ich glaube, dass wir es uns damit noch ein bisschen zu einfach machen“, erklärte Merkel.
Die EU-Länder streiten seit Jahren um eine Umverteilung von Asylbewerbern aus den Ankunftsstaaten vor allem im Süden auf die anderen Länder, insbesondere osteuropäische Mitglieder lehnen dies ab. Kurz bekräftigte bei dem Gipfel seine Haltung, dass es verpflichtende Verteilungsquoten nicht geben werde, weil das „niemals von allen Staaten unterstützt wird“. Daher schlug er als Kanzler des Landes, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, die „verpflichtende Solidarität“ vor. „Das bedeutet, dass jeder einen Beitrag leistet, dort, wo er das kann und dort wo es sinnvoll ist.“ Bereits in den vergangenen Jahren wurde über Konzepte nachgedacht, bei denen Länder zum Beispiel Finanzmittel geben, wenn sie keine Flüchtlinge aufnehmen.
Die Abschlusserklärung des Gipfels geht mit keinem Wort auf das neue Konzept ein. Insgesamt enthält sie keine Fortschritte bei der Reform des europäischen Asylsystems, zu dem die Verteilung von Flüchtlingen gehört. Die Ratspräsidentschaft wird „ermutigt“, die Arbeit an der Reform „mit Blick auf einen Abschluss so bald als möglich“ fortzusetzen.
Verzicht auf „Ausschiffungsplattform“
Die EU-Staats- und Regierungschefs konzentrierten sich stattdessen auf die externe Dimension der Migration. Wie schon bei vergangenen Treffen verpflichteten sie sich unter anderem zum verstärkten Kampf gegen Schleuser und vertiefter Kooperation mit Drittstaaten. Die sogenannten Ausschiffungsplattformen wurden in der Abschlusserklärung dagegen nicht mehr direkt erwähnt. Der EU-Gipfel im Juni hatte eine Prüfung dieses Konzepts beschlossen, bei dem auf dem Mittelmeer gerettete Menschen nach Afrika zurückgebracht würden. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel sagte am Donnerstag über die Plattformen: „Jeder findet es ’ne tolle Idee, aber keiner will sie bei sich haben.“
Die Staats- und Regierungschefs forderten ihre zuständigen Minister sowie das Europaparlament in der Erklärung ferner auf, kürzlich von der EU-Kommission vorgelegte Vorschläge mit Vorrang zu behandeln. Darin geht es unter anderem um einen Ausbau der Grenz- und Küstenwache Frontex und die Vereinfachung von Abschiebungen. Mit Blick auf die Umsetzung des Flüchtlingsabkommen mit der Türkei von 2016 fordern die Staats- und Regierungschefs „zusätzliche Anstrengungen“. Generell merkt die Abschlusserklärung des Gipfels an, dass die Zahl der entdeckten illegalen Ankünfte in der EU gegenüber den Spitzenwerten von 2015 um 95 Prozent gesunken sei. (epd/mig) Aktuell Politik
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