Saarland als Vorbild
Seehofer besucht Ankerzentrum für Flüchtlinge
Lange debattiert, jetzt offiziell mit Tafel: Das Erstaufnahmelager für Flüchtlinge im saarländischen Lebach ist nun ein sogenanntes Ankerzentrum. Bundesinnenminister Seehofer sieht es als Vorbild für andere Bundesländer. Die muss er noch überzeugen. Von Marc Patzwald
Dienstag, 30.10.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 01.11.2018, 17:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Für die Kinder und Erzieherinnen ist es ein ungewöhnlicher Tag. Ein fast zwei Meter großer Mann läuft mit einem Tross aus Mitarbeitern und Journalisten durch ihre Kindertagesstätte St. Nikolaus im saarländischen Lebach. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist auf Besuch, denn er will sich das nunmehr neunte sogenannte Ankerzentrum ansehen. Die Einrichtung ist das erste dieser Zentren in Westdeutschland außerhalb Bayerns.
Die Kita hat Helmut Selzer von der Caritas zufolge 110 Plätze zur Verfügung. Die Hälfte belegen ausländische, die andere einheimische Kinder. Nächstes Jahr feiert die Einrichtung ihren 60. Geburtstag, wie der Geschäftsführer der Caritaseinrichtungen in der Landesaufnahmestelle berichtet.
Vom großen Gartenareal mit Holzspielzeug sieht Seehofer, wie ihn die Kinder neugierig aus einem Fester beobachten. Er klopft an die Scheibe und winkt. Kitaleiterin Sylvia Leick schließt die Tür auf und er unterhält sich mit Erzieherinnen und Kindern. Seehofer möchte wissen, wie der Alltag mit den Lebachern funktioniere. Für die Lebacher sei das seit 1959 normaler Alltag, sagt Leick. „Das ist in Lebach eine ganz gewachsene Struktur“, sagt sie.
Seehofer „beeindruckt“
In der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erfährt der Bundesinnenminister, wie die alltägliche Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Trägern der freien Wohlfahrtspflege läuft. Zu Beginn der Ankunft steht etwa die Identitätsfeststellung, es folgen Asylverfahrensberatungen und auch erste sogenannte Wegweiser- und Erstorientierungskurse. „Ich bin sehr beeindruckt“, sagt der Bundesinnenminister. „Auch wenn man im Laufe eines politischen Lebens viel sieht, so etwas wie heute habe ich noch nicht gesehen.“
Die Bundesregierung und das Saarland hatten Ende September die Umänderung der saarländischen Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge beschlossen. In einem solchen Zentrum sollen Flüchtlinge unterkommen, bis sie in Kommunen verteilt oder in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. „Anker“ ist die Kurzform für „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung“. Bisher gibt es bereits in Sachsen einen Probebetrieb, in Bayern starteten am 1. August in allen sieben Regierungsbezirken die ersten Ankerzentren.
Keine Massenunterkünfte, maximal 1.500 Menschen
Es sei ihm nie um Massenunterkünfte gegangen, betont Seehofer. Die maximale Zahl solle 1.500 Menschen betragen. Jedes Bundesland könne selbst entscheiden, wie ein solches Ankerzentrum aussehen könne. Und im Saarland bleibt fast alles so wie es ist. Es wird nach den Worten des saarländischen Innenministers Klaus Bouillon (CDU) nur besser.
Bouillon setzt auf den Bund: Passersatzbeschaffung, personelle Verstärkung, schnellere Verfahren und damit schnellere Rückführungen. Beide sind sich einig, dass die Bundespolizei für Letzteres entscheidend ist. Damit das funktioniert, müssen laut Seehofer die Menschen ohne Bleiberecht für ihre Rückführung an zentralen Orten und nicht in vielen Gemeinden sein. Denn Kritiker befürchten, dass aufgrund von Problemen bei der Rückführung zu viele Menschen doch an einem Ort blieben.
Seehofer: „So gut wie keine Probleme“
Erreicht hat Bouillon auch, dass der Bund 500.000 Euro für die Träger der freien Wohlfahrtspflege für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung stellt. In Lebach sind rund 70 Mitarbeiter von Caritas, Deutschem Roten Kreuz und Diakonie aktiv. „Ich gehe davon aus, nach den heutigen Eindrücken, sehr geehrter Minister, wird da noch etwas draufgelegt“, sagt der saarländische Innenminister.
Seehofer betont, wie ihn die entspannte und gelassene Atmosphäre beeindrucke. Nach seinen Worten wirkt die Erstaufnahmestelle wie ein Stadtteil Lebachs. Saar-Innenminister Bouillon unterstreicht, dass das Saarland „eine Kolonie von Syrern“ geworden sei, mit rund 8.000 Menschen. „Wir haben sehr viele Familien, so gut wie keine Probleme.“ Was rechten Kritikern auch den Wind aus den Segeln nehme, sei, dass die Quote von Straftaten in Lebach deutlich geringer als etwa in der Stadt Saarlouis sei, betont Bouillon. (epd/mig) Aktuell Politik
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