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Interview mit Asserate

Afrika braucht jährlich 30 Millionen neue Jobs

Afrikanische Staats- und Regierungschefs beraten in Berlin über die Zukunft ihres Kontinents. Der in Deutschland lebende Bestsellerautor und politischer Analyst, Prinz Asfa-Wossen Asserate, im Gespräch über Herausforderungen und mögliche Lösungen. Von Mey Dudin

Von Mey Dudin Mittwoch, 31.10.2018, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 04.11.2018, 18:42 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Prognosen in Bezug auf Afrika sind düster was Bevölkerung, Wasser, Ernährung angeht. Was müsste in den kommenden Jahren dringend passieren?

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Asfa-Wossen Asserate: Wir brauchen dringend eine neue Afrikapolitik Europas. Seit 50 Jahren werden afrikanische Gewaltherrscher mit europäischen Steuergeldern alimentiert: Im Kalten Krieg hatte jeder seine Lieblingsdiktatoren. Damals sagten die Europäer: Wir wissen, dass er ein furchtbarer Diktator ist, aber wenigstens ist er kein Kommunist. Nach dem Fall der Mauer fing man an, zu sagen: Ich weiß, er nimmt es mit den Menschenrechten nicht so ernst, aber er ist immerhin ein Alliierter im Kampf gegen Terrorismus. So sind in den vergangenen 50 Jahren gut zwei Drittel der Entwicklungshilfe wieder von Afrika in den Westen zurückgeflossen: in Form von Immobilien in London und Paris, Palästen an der Loire, Konten in der Schweiz. Zusammengefasst: Der Punkt gute Regierungsführung ist bei Verhandlungen mit afrikanischen Herrschern über Jahrzehnte vernachlässigt worden. Dabei ist das der allerwichtigste Punkt.

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Beim großen Afrika-Gipfel der G20-Initiative „Compact with Africa“ geht es – wie beim deutschen „Marshallplan mit Afrika“ – um Hilfe durch Investitionen und Jobprogramme. Wie bewerten Sie diesen Ansatz?

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Asfa-Wossen Asserate: Er ist lobenswert, aber wir müssen immer darauf pochen, dass er fortgeführt wird. Es gab in den 1990er Jahren bereits Initiativen, mit denen die Europäer Demokratisierungsprozesse in Afrika unterstützt haben. Leider dauerte es nicht lange, dann kamen die Terroranschläge vom 11. September 2001 und alles war wieder vergessen. Wichtig ist außerdem, dass Deutschland den Ansatz nicht alleine verfolgt. Es muss ein europäisches Projekt werden.

Kann Europa überhaupt noch besonders Einfluss nehmen, wenn China immer massiver in Afrika auftritt?

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Asfa-Wossen Asserate: Die Europäische Union hat politisch immer noch viel zu sagen, auch wenn ihre Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte gegenüber Afrika viel zu wünschen ließ. Was hilfreich hinzukommt: Seit einigen Jahren können die Europäer, wenn sie mit afrikanischen Gewaltherrschern verhandeln, auch auf die von der Afrikanischen Union beschlossenen „Agenda 2063“ verweisen. Das ist ein großartiges Werk, in dem sich die Länder zu Menschenrechten und guter Regierungsführung bekennen. Die Europäer brauchen nichts weiter zu tun, als zu sagen: Wir unterstützen euch, so lange ihr euch an eure eigene Agenda haltet.

Sie sind auch Unternehmensberater: Was hält europäische Unternehmen davon ab, in Afrika zu investieren?

Asfa-Wossen Asserate: Ein mittelständisches europäisches Unternehmen trägt bei Investitionen in Afrika oft das Risiko eines Totalausfalls. Denn nur sehr wenige haben überhaupt ein Anrecht auf Hermes-Bürgschaften. Die Chinesen wiederum bekommen eine 100-prozentige Garantie ihres Staates. Sie kommen mit ganz anderen Voraussetzungen, mit Projekten, wo alles schon finanziert ist. Momentan sind daher mehr als 10.000 chinesische Firmen in Afrika und gerade einmal 1.000 Deutsche.

Geht es um Afrika, fällt hier vor allem das Wort Fluchtursachenbekämpfung. Das Konzept beinhaltet neben wirtschaftlicher Hilfe auch Grenzzäune, Militäreinsätze und Rückführungsvereinbarungen. Eine wirksame Strategie?

Asfa-Wossen Asserate: Ich höre immer nur katastrophale Lösungen. Die einen wollen einen Wall bauen und tun so, als ob es den nicht schon längst gibt. An der marokkanischen Grenze zur spanischen Exklave Ceuta steht ein 6,50 Meter hoher Zaun, der jeden Tag von mehr als 200 Afrikanern überwältigt wird. Ein Wall ist nur die Lösung, wenn man auch bereit ist, zu schießen: Doch stellen Sie sich einmal einen 28-jährigen Nato-Soldaten vor, der auf 3.000 unbewaffnete afrikanische Frauen und Kinder schießen muss – kann man das überhaupt von ihm verlangen? Eine weitere naive Lösung sind Fluchtpartnerschaften mit Gewaltherrschern in Ländern auf den Migrationsrouten wie im Niger und im Tschad. Am Ende profitieren nur die Menschenschmuggler, die immer neue Routen aufmachen, die länger sind und mehr kosten. Aber die bevorstehende afrikanische Völkerwanderung wird dadurch nicht gestoppt.

Welche Maßnahmen wären besser?

Asfa-Wossen Asserate: Der einzige Weg wäre, in den nächsten zehn Jahren jährlich 30 Millionen neue Jobs zu schaffen, damit die Perspektivlosigkeit der afrikanischen Jugend und die Armut beendet würde. Wer will schon nach Europa, Freunde und Familie verlassen, wenn es zuhause Arbeit und Brot gibt.

Welches Land sehen Sie in Afrika als Vorbild?

Asfa-Wossen Asserate: Ohne mit der Wimper zu zucken, Botswana. Das Land ist reich, durch den Verkauf von Diamanten, und der Reichtum wird ins Land selbst investiert. Die Menschen haben dadurch freien Zugang zu Medizin und Schulen. Und es gibt alle vier Jahre demokratische Wahlen.

Und Äthiopien, wo der neue Premier Abiy Ahmed Ali große Hoffnungen weckt?

Asfa-Wossen Asserate: Was wir seit sechs Monaten in meiner Heimat Äthiopien haben, ist ein Wunder. Es ist uns ein Ministerpräsident gegeben worden, der es geschafft hat, die Feindschaft mit allen unseren Nachbarn zu beenden und Tausende von politischen Gefangenen zu befreien. Die Äthiopier hoffen, dass der Demokratisierungsprozess im Land endlich in die Gänge kommt und langfristig Frieden unter den verschiedenen Ethnien herrscht. (epd/mig) Aktuell Ausland Interview

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