SPD-Gesetz
Kein Recht auf Existenzminimum
Ausländische EU-Bürger erhalten in Deutschland erst nach fünf Jahren Aufenthalt Sozialhilfe. Bis dahin fallen sie durch alle sozialen Netze, sie sind schlechter gestellt als Asylsuchende. Das Gesetz geht auf die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zurück. Von Rudolf Stumberger
Montag, 12.11.2018, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 15.11.2018, 16:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die prekäre Situation von obdachlosen Arbeitsmigranten aus Südosteuropa wirft ein Schlaglicht auf die Konstruktion der Europäischen Union, die zwar den freien Verkehr von Geld, Gütern, Dienstleistungen und Arbeitskräften kennt, aber keine gemeinsamen soziale Standards. Aufgrund der geltenden Rechtslage fallen die Tagelöhner aus Bulgarien und Rumänien in Deutschland durch alle sozialen Netze und sind in dieser Hinsicht schlechter gestellt als asylsuchende Flüchtlinge. Inmitten deutscher Großstädte hausen sie ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Ansprüche auf medizinische Hilfe und ohne Anspruch auf ein Existenzminimum.
Normalerweise haben Bürger aus EU-Staaten uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, sie benötigen dafür weder ein Visum noch eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis. Rumänien und Bulgarien wurden 2007 in die EU aufgenommen. Die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit wurde den Bürgern dieser Staaten aber erst im Januar 2014 zugestanden.
Ein Recht auf den Bezug von Sozialleistungen wie Hartz IV hatten sie aber nicht. Knapp zwei Jahre später entschied das Bundessozialgericht in einem Grundsatzurteil vom Dezember 2015, dass EU-Bürger zwar keinen Anspruch auf Hartz IV nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland hätten, dafür aber ein Recht auf Sozialhilfe. Diese umfasst einen Grundbetrag plus die Kosten für die Unterkunft.
Ein SPD-Gesetz
Dabei beriefen sich die Richter auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums. Wenn EU-Bürger von Hartz IV ausgeschlossen seien, müssten die Kommunen prüfen, ob Sozialhilfe zu gewähren sei. Entscheidend seien dabei die Aufenthaltsgründe und die bisherige Dauer des Aufenthalts. Bei einem sogenannten „verfestigten Aufenthalt“ über sechs Monate müssten in der Regel die betroffenen Ausländer zumindest Sozialhilfe erhalten, lautete das Urteil aus Kassel.
Ein Urteil, das in der Politik auf Widerspruch und Ablehnung stieß: Man befürchtete eine starke Zuwanderung aus armen osteuropäischen EU-Ländern, insbesondere Rumänien und Bulgarien. In der Folge brachte die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zum Jahresbeginn 2017 ein neues Gesetz auf den Weg, das den Ausschluss von Bürgern der Europäischen Union von Hartz-IV-Leistungen und Sozialhilfe regelt. Nahles: „Wer noch nie hier gearbeitet hat und für seinen Lebensunterhalt auf staatliche finanzielle Unterstützung aus der Grundsicherung angewiesen ist, für den gilt der Grundsatz: Existenzsichernde Leistungen sind im jeweiligen Heimatland zu beantragen.“
Anspruch nach fünf Jahren
Nach diesem Gesetz haben Europäer, die sich auf Arbeitssuche befinden, erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe. Ausnahmen davon sind einmonatige Überbrückungsleistungen – etwa für Essen und Unterkunft – sowie ein Darlehen für Rückreisekosten ins Heimatland. Ausgeschlossen ist damit auch das Recht auf einen Platz in den Unterkünften, die die Sozialämter für Obdachlose bereithalten. Lediglich im Winter stehen obdachlosen EU-Bürgern die Kälteschutzprogramme offen. Ansonsten gilt: Wer über eine Heimatadresse in einem EU-Land verfügt, gilt nicht als wohnungslos.
Die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien verteilt sich sehr unterschiedlich auf einzelne Kommunen in Deutschland, wie eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung von 2013 zeigt. Danach lebt rund ein Drittel der Bulgaren und Rumänen in Deutschland in zwölf Großstädten, vor allem in Offenbach, Mannheim, Frankfurt am Main, München, Nürnberg, Duisburg, Berlin und Dortmund. (epd/mig) Leitartikel Wirtschaft
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Ähnlich verhält es sich mit Bundesbürgern, die in einem außereuropäischen Land leben und weder in der BRD noch einem anderen EU-Staat einen Wohnsitz angemeldet haben: Sie erhalten weder Sozialhilfe noch Grundsicherung noch Krankenversicherung noch Kindergeld. Um diese Leistungen zu erhalten, müssen sie sich in der BRD anmelden und unter Umständen auch dort leben, selbst wenn die Lebenshaltungskosten in dem außereuropäischen Land niedriger und die klimatischen Bedingungen für ihre Gesundheit günstiger sind.
Dieses Sozialhilfegesetz ist Unrecht – kein Ausländer ist weniger Mensch als ein Eiheimischer! Arm ist Arm – diese Praxis dient nur dazu, selbst arme EU-Bürger aus Deutschland fern zu halten!
… diese Praxis dient nur dazu, selbst arme EU-Bürger aus Deutschland fern zu halten!
Eben, genau das ist die Absicht. Das ist aber nicht verwerflich. Es besteht Freizügigkeit für Unionsbürger unter bestimmten Voraussetzungen. Arbeitssuche, Arbeitsaufnahme, Selbständigkeit, Nachzug zu Familienangehörigen etc.
Ich finde es auch nachvollziehbar. Wenn man auswandern möchte, dann spart man für eine Übergangszeit bis man Arbeit gefunden hat. Wenn dies nach 6 Monaten nicht gelungen ist, dann kehrt man halt zurück. Wir reden hier von der EU, nicht von Flüchtlingen bei denen die Situation anders aussieht.
Die EU ist sehr begrüßenswert, da sie uns hoffentlich dauerhaften Frieden, auch für die Zukunft, und auch Wohlstand, Bildung etc. etc. bringt.
ABER, und das ist das Problem, es muss auf ein gemeinsames Niveau geachtet werden, anderensfalls kommt es natürlich zu „Wanderungen“ innerhalb der EU. Ärmere Länder, wie z.B. Rumänien und Bulgarien, dürften erst dann Mitglieder werden, wenn bestimmte Voraussetzungen, z.B. Sozialleistungen, mindestens nahezu gleich sind. Im Zweifelsfall muss die EU vorher dafür sorgen. Ähnliches gilt für Korruption in evtl. Beitrittsländern – aktuell undauch zukünftig. Das beste Beispiel ist z.B. Rumänien, wo lt. Spiegel-Artikel Korruption gesetzlich „erlaubt“ ist.
Ein Vorgehen gegen derartige Dreistigkeiten innerhalb der EU dauert zu lange und wird nicht konsequent genug durchgeführt, da immer auch politische Taktik im Spiel ist. Ähnlich wie im Fall Ungarn oder auch Polen.
Wenn die EU sich als Wertegemeinschaft versteht, muss man sofort und vor allem schneller handeln, ggf. Mitgliedschaften „auf Eise legen“. Dann können die Menschen dieser Länder bei der nächsten Wahl in ihrem Land Fehler demokratisch reparieren.
Bei derartigen Unterschieden darf man sich nicht wundern, wenn es solche Probleme zur Folge hat. Getroffen werden wieder einmal die Armen, die solch prekäre Situationen nicht verschuldet haben.
In der sozialen Rechtssprechung ist ein Existenzminimum festgelegt. Dort steht NICHT, daß das, je nach Herkunft, unterschiedlich bemessen werden kann!!!
Schaut man sich die Liste der EU-Beitrittskandidaten an, ist zu erwarten, daß diese Probleme nicht geringer werden.
An diesem Problem, dem Flüchtlingsproblem u.a.m. lässt sich klar erkennen, daß die EU zu schnell gewachsen ist. Man wollte Mitglieder haben, koste es was es wolle, und hat nicht auf „Augenhöhe“ geachtet. Gravierende Probleme in diesen Ländern wurden unterschätzt (wissentlich???) nach dem Motto. Das wird schon … Hauptsache erst einmal Mitglieder, eine schöne lange Liste …
Hoffentlich lernt man aus diesen Fehlern f.d. Zukunft und hoffentlich beseitigt man die bereits bestehenden Ungerechtigkeiten, denn die EU ist alternativlos. Würde sie zerfallen, wäre es mehr als ein Rückschritt.