"Äthiopischer Obama"
Neuer Ministerpräsident Abiy Ahmed begeistert die Diaspora in Deutschland
Für seine Anhänger ist er ein Symbol der Hoffnung: In seiner kurzen Amtszeit schaffte es der äthiopische Ministerpräsident durch seine reformerische Politik, viele Unterstützer zu sammeln. Einigen gehen seine Reformen aber nicht weit genug. Von Jana-Sophie Brüntjen
Von Jana-Sophie Brüntjen Freitag, 09.11.2018, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.11.2018, 20:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Sie tragen T-Shirts mit seinem Gesicht bedruckt, brüllen im Chor seinen Namen und tanzen vor seinem Auftritt auf den Sitzen: Die äthiopische Diaspora in Deutschland feierte ihren Ministerpräsidenten Abiy Ahmed bei seiner Rede in der Commerzbank-Arena in Frankfurt Anfang November wie einen Popstar. Seine Anhänger kamen aus ganz Deutschland, einige reisten sogar aus dem Ausland an. Sie wollen Ahmed ihre Unterstützung zeigen, sagen sie. Ihm dafür danken, dass er endlich etwas verändert in Äthiopien, einem Land, das so lange unter Gewalt, Willkür und Hass gelitten hat.
Ahmed ist erst seit einem halben Jahr im Amt. In dieser Zeit hat er es geschafft, Anhänger in allen Volksgruppen des Vielvölkerstaats Äthiopien zu gewinnen. Bei seinem Auftritt in Frankfurt wurde nicht nur die äthiopische Flagge geschwenkt, sondern auch die eritreische und die der Oromo-Befreiungsfront. Ahmed hatte im Sommer einen Friedensvertrag Eritrea unterzeichnet, nachdem zwischen den beiden ostafrikanischen Nachbarländern jahrzehntelang Krieg geherrscht hatte. Für die Oromo, die größte Volksgruppe in Äthiopien, ist Ahmed als Ministerpräsident aus ihren Reihen ein Symbol der Hoffnung, nachdem sie jahrzehntelang marginalisiert wurden.
Solomon Ali Mohammed kommt aus einer ethnisch und religiös gemischten Familie. Sein Vater ist ein eritreischer Moslem, seine Mutter eine Christin mit Vorfahren aus verschiedenen Ethnien. „Die ethnischen Gruppen in Äthiopien wollten eigentlich nie Kriege untereinander führen“, sagt der 58-Jährige, der in Äthiopien lebt und seinen Bruder in Frankfurt besucht. All die ethnisch motivierte Gewalt in seinem Heimatland sei durch politische Kräfte angeheizt worden, die so versucht hätten, ihre Interessen durchzusetzen. Das gefalle aber nicht allen: Ahmed habe sich durch seine Reformen viele Feinde gemacht, vollkommen vorbei sei die Gewalt noch immer nicht. Trotzdem sei es seit dem Amtsantritt des neuen Ministerpräsidenten zwischen den Ethnien ruhiger geworden: „Er hat es geschafft, Äthiopien zu vereinen.“
Symbol des Fortschritts
Dieser Ansicht ist auch Girma Mesfin, der extra für die Veranstaltung aus Paris nach Frankfurt gefahren ist. „Ich kann heute sagen, dass ich Äthiopier bin. Vor nicht allzu langer Zeit ging es immer nur um die Ethnie.“ Für ihn ist Ahmed ein Symbol des Fortschritts und eine Art „äthiopischer Obama“. Es sei nicht einfach, alle Menschen zufriedenzustellen und jedem Hoffnung zu geben, aber Ahmed schaffe genau das. „Ich bin froh, dass er der neue Ministerpräsident geworden ist.“
Zwischen den Menschen, die in der Commerzbank-Arena zusammenkamen, ging es harmonisch zu. Die Veranstalter rechneten mit rund 20.000 Besuchern. Es kamen ganze Familien, zwischen den Reihen tummelten sich Kinder mit bemalten Wangen zwischen älteren Herrschaften mit Gehstöcken. Vor der Rede des Ministerpräsidenten werden Gedichte über die Stärke Äthiopiens gelesen und Heimatlieder gespielt, bei denen alle ausgelassen mitsingen.
Eritreer protestieren
Ein anderes Bild zeigt sich abseits vom Trubel, außerhalb des Geländes der Commerzbank-Arena. Dort protestieren ein paar Dutzend Eritreer. Auf Bannern halten sie Fotos von inhaftierten Landsleuten hoch. „Wir sind froh, dass es nun Frieden zwischen Eritrea und Äthiopien gibt“, sagt Tesfaldet Zerai. Der 58-Jährige floh vor 30 Jahren vor der Gewalt in seiner Heimat nach Deutschland. Für die Menschen in Eritrea habe sich die Situation trotzdem kaum verbessert. „Darauf möchten wir Herrn Ahmed aufmerksam machen“, sagt der Frankfurter.
In der Rede des Ministerpräsidenten wird dann deutlich: Er weiß, dass er noch einen langen Weg vor sich hat. Es bräuchte endlich freie Wahlen, die Menschenrechte müssten stärker geachtet werden und eine gerechtere Verteilung sei nötig, sagte er vor einer jubelnden Menge. „Dafür müssen wir unsere Kräfte vereinigen.“ (epd/mig) Aktuell Ausland
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