Großes Manko
Kritik an Verknüpfung von Entwicklungspolitik mit Migrationsabwehr
Ein Viertel der Mittel für Entwicklungshilfe hat Deutschland 2017 im eigenen Land für Flüchtlinge ausgegeben. Hilfsorganisationen kritisieren die zunehmende Verknüpfung der Entwicklungs- und Afrikapolitik mit der Migrationsabwehr.
Freitag, 05.04.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.04.2019, 17:49 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Deutsche Hilfsorganisationen fordern in der Entwicklungshilfe eine stärkere Fokussierung auf die Hunger- und Armutsbekämpfung. Im Jahr 2017 seien von den 22,18 Milliarden Euro an deutschen Entwicklungsgeldern fast ein Viertel (24 Prozent) für Flüchtlinge in Deutschland ausgegeben worden, heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten „Kompass“ zur Wirklichkeit der Entwicklungspolitik von Welthungerhilfe und „terre des hommes“. Mit der voraussichtlichen Verringerung dieser Ausgaben, würden auch die deutschen Mittel für staatliche Entwicklungszusammenarbeit sinken, befürchten die beiden Organisationen.
Die Geberländer haben sich verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklung der ärmeren Länder auszugeben. Deutschland lag 2017 bei 0,67 Prozent, weil die Bundesregierung die 5,37 Milliarden Euro an Flüchtlingskosten mithineingerechnet hat. Dagegen flossen nur 3,62 Milliarden Euro der Mittel in am wenigsten entwickelte Länder sogenannte Least Developed Countries (LDC).
Verknüpfung von Afrikapolitik mit Migrationsabwehr
Beide Organisationen kritisieren die zunehmende Verknüpfung von Entwicklungs- und Afrikapolitik mit Migrationsabwehr. In der deutschen Entwicklungshilfe gebe es einen immer stärkeren Fokus auf Migrationsabwehr und Fluchtursachenbekämpfung, sagte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. „Wir sehen mit Sorge, dass die Entwicklungszusammenarbeit zunehmend mit der Rücknahme von Migranten gekoppelt wird.“ Im Mittelpunkt des Handelns der Bundesregierung stünden nicht mehr die Länder, wo die Not am größten ist, sondern die Herkunftsstaaten der Flüchtlinge, „auch wenn es da sicherlich einige Schnittmengen gibt“.
„In den am wenigsten entwickelten Ländern sind Hunger und Armut besonders hoch, aber die Zuwendungen dorthin stagnieren seit Jahren“, kritisierte Mogge. „Wir fordern deshalb einen finanziellen Stufenplan für die kommenden Jahre, um die Lebensbedingungen von benachteiligten Familien insbesondere auf dem Land langfristig zu verbessern.“
Afghanistan einziges wirkliches Entwicklungsland
Unter den Top-Zehn-Hauptempfängern deutscher Entwicklungsgelder sei als einziges wirkliches Entwicklungsland nur Afghanistan, sagte Mogge. Alle anderen Länder hätten ein mittleres Einkommen oder seien Schwellenländer wie Indien, China, die Türkei oder Mexiko. So bekam Indien im Jahr 2017 aus Deutschland 1,1 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe, China 710 Millionen und die Türkei 657 Millionen Dollar. Die Mittel für die Türkei hingen mit der Krise in Syrien zusammen, aber die Gelder für China, Marokko oder Mexiko würden eingesetzt, um private Investitionen zu mobilisieren.
Ein großes Manko sehen beide Organisationen auch in der fehlenden Kohärenz der deutschen Entwicklungspolitik. Es sei nicht plausibel, 249 Millionen Euro an Entwicklungsgeldern in den kriegsgeplagten Jemen zu pumpen, wenn gleichzeitig für Milliarden Euro Saudi-Arabien als Aggressor in dem Konflikt mit deutschen Rüstungsgütern aufgerüstet werde, sagte der Vorstandssprecher von „terre des hommes“, Albrecht Reck. Reck forderte auch ein größeres und entschiedeneres Engagement der Bundesregierung bei der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Das Leben jedes fünften Kindes weltweit sei durch bewaffnete Konflikte gefährdet. (epd/mig) Leitartikel Politik
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