Beschlagnahmt
Sea-Watch-Crew: „Wir haben kein Gesetz gebrochen“
Erneut mussten im Mittelmeer Gerettete tagelang warten, bis sie an Land konnten. Erneut wurde ein Rettungsschiff beschlagnahmt, diesmal von den italienischen Behörden. Unterstützer protestieren gegen die Kriminalisierung von Seenotrettern. Bundesregierung warnt vor Stigmatisierung.
Dienstag, 21.05.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.04.2020, 19:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach einem Rettungseinsatz im Mittelmeer mit 65 Überlebenden muss sich erneut ein Kapitän vor den Behörden verantworten. Nach der Beschlagnahmung des Schiffs „Sea-Watch 3“ hat die Staatsanwaltschaft im italienischen Agrigent am Montag wegen des Verdachts der Begünstigung illegaler Einwanderung Ermittlungen gegen Kapitän Arturo Centore aufgenommen, wie örtliche Medien berichteten. Die Organisation „Sea-Watch“ mit Sitz in Berlin betonte unterdessen: „Wir haben kein Gesetz gebrochen.“ Vielmehr habe sich die Organisation erneut für das Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention eingesetzt, erklärte der Missionsleiter des Schiffes, Philipp Hahn.
Am Sonntagabend hatten die italienischen Behörden veranlasst, dass die noch 47 verbliebenen Migranten eines Rettungseinsatzes vom vergangenen Mittwoch in Lampedusa an Land gehen konnten. Gleichzeitig wurde das Schiff der in Berlin ansässigen Hilfsorganisation beschlagnahmt. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft wurde das Schiff, mit dem insgesamt 65 Menschen aus Seenot gerettet wurden, nach Licata auf Sizilien gebracht.
Der italienische Innenminister Matteo Salvini reagierte verärgert auf die Entscheidung, die Flüchtlinge an Land zu lassen. „Ich hoffe, dass der Kapitän, der sich als Vize-Schleuser betätigt hat, verhaftet wird“, erklärte er auf Twitter. Salvini kritisierte auch die Staatsanwaltschaft für die Entscheidung, die Menschen an Land zu lassen. Seine Ankündigung, jeden anzuzeigen, der Migranten in Italien an Land gehen lasse, gelte auch für staatliche Institutionen wie den Staatsanwalt. Italien hatte in der Vergangenheit wiederholt Rettungsschiffen die Einfahrt in Häfen verweigert.
EKD: Kriminalisierung beenden
Insgesamt ist die Rettung in Seenot geratener Menschen im Mittelmeer zunehmend unter Druck geraten: In Malta war kürzlich der deutsche Kapitän Claus-Peter Reisch wegen einer nach Auffassung des Gerichts fehlerhaften Registrierung zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Auch sein Schiff wurde nach einem Rettungseinsatz beschlagnahmt. Die EU selbst hat den Einsatz von Schiffen im Rahmen der Mittelmeer-Mission „Sophia“ beendet.
Unterstützer der Retter in Deutschland, zu denen auch die evangelische Kirche zählt, empört das Vorgehen. „Die Beschlagnahmung des zivilen Rettungsschiffs ‚Sea-Watch 3‘ durch italienische Behörden und die geplanten weiteren Gesetzesverschärfungen für Seenot-Rettungskräfte sollen Lebensrettung im Mittelmeer unmöglich machen“, kritisierte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. Die Kriminalisierung von Seenotrettung müsse ein Ende haben.
Bundesregierung zurückhaltend
Bedford-Strohm und die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke forderten die Bundesregierung dazu auf, in Gesprächen mit den italienischen Kollegen Stellung zu beziehen. Die Bundesregierung wollte den konkreten Fall nicht kommentieren. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, man sei bereit, sich bei der Verteilung der Geretteten solidarisch zu beteiligen. Gemeinsam mit einem Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies er zudem auf die Bemühungen, auf europäischer Ebene zu einer Lösung für die unter Druck geratene Seenotrettung und Verteilung der Migranten zu kommen.
Der Sprecher des Innenministeriums betonte zudem, eine pauschale Kriminalisierung privater Seenotretter lehne man ab. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz. Auf See habe jeder das Recht und die Pflicht, Menschen aus Not zu retten, sagte sie. Das Engagement der Retter verdiene Respekt. Gleichzeitig rufe die Bundesregierung aber dazu auf, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, geltendes Recht zu achten und Seenotrettung nicht als Instrument der Steuerung von Migration zu betrachten. (epd/mig) Leitartikel Panorama
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
- Spurwechsel ermöglichen Migrationsexperte fordert Bleiberecht für arbeitende…
Ich habe nichts am Hut mit den italienischen Politikern, doch leuchtet mir die Argumentation der Gegenseite auch nicht ein. Was geschähe, wenn Arme in Europa Regierungssitze, Firmenzentralen, Luxushotels, Luxusvillen usw. blockieren würden?
Zu der beigefügten Meldung ist nicht hinzuzufügen:
„Bereits am Samstag forderten die Vereinten Nationen in einem Schreiben die italienische Regierung auf, ein Dekret des Innenministers Salvini zurückzuziehen, in welchem sie feststellen, dass “Such- und Rettungsaktionen zur Rettung von Menschenleben auf See keinen Verstoß gegen die nationalen Rechtsvorschriften über Grenzkontrollen oder irreguläre Migration darstellen können, da das Recht auf Leben Vorrang vor nationalen und europäischen Rechtsvorschriften, bilateralen Abkommen und Absichtserklärungen sowie jeder anderen politischen oder administrativen Entscheidung, die auf die “Bekämpfung der irregulären Migration” abzielt haben sollte”, und dass das Salvini-Dekret nicht nur ein weiterer politischer Versuch ist, Such- und Rettungsaktionen von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Mittelmeerraum zu kriminalisieren, sondern seine Umsetzung eine Verletzung der Menschenrechte darstellt.“