Rheinland-Pfalz
SPD und Grüne gegen, CDU für Kopftuchverbot
Die CDU-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz will gesetzlich verbieten, dass Lehrerinnen in Schule und Unterricht ein Kopftuch tragen. An Symbolen christlich-abendländischer Kultur will sie aber festhalten.
Montag, 02.03.2009, 15:43 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.08.2010, 6:18 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
In der Gesetzesbegründung heißt es unter anderem „Das Tragen nicht eindeutig identifizierbarer Symbole, insbesondere islamischer Kopftücher, darf im Einzelfall deshalb nicht erlaubt sein, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter damit eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie oder eine fundamentalistische Stellungnahme für ein Staatswesen verbindet, was im Widerspruch zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und zu den Verfassungswerten von Rheinland-Pfalz steht. Das Gebot, die verfassungsrechtlichen Grundwerte einschließlich der Gleichberechtigung von Mann und Frau im Unterricht glaubhaft zu vermitteln, kann eine Lehrkraft mit einem solchen nach außen getragenen Symbol nicht erfüllen.
Die Wirkung von traditionell-christlichen Symbolen ist damit nicht vergleichbar. Vom Geltungsbereich der Regelung sind allerdings solche Symbole ausgenommen, die über ihre religiöse Bedeutung hinaus auch ein allgemeines Zeichen für eine aus verschiedenen Quellen gespeiste, wertgebundene, aber offene und durch reiche sowie historische Erfahrung tolerant gewordene Kultur darstellen und für Nächstenliebe, Freiheit, Menschlichkeit und Gleichheit – auch für die zwischen Mann und Frau stehen.
Äußere Symbole und Kleidungsstücke, die verfassungsrechtlichen Grundwerten und den Bildungszielen der abendländischen Bildungs- und Kulturwerte entsprechen, etwa die Tracht von Ordensschwestern, sind weiterhin zulässig.
Das Verbot des Tragens nicht eindeutig identifizierbarer Symbole knüpft nicht an eine bestimmte Religionszugehörigkeit an, sondern an die Fähigkeit der Lehrkräfte, die verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele zu beachten und glaubhaft zu vermitteln.“
Die SPD-Fraktion hingegen hält ein gesetzliches Kopftuchverbot zurzeit für untauglich. Ein solches Verbot werde der aktuellen Situation nicht gerecht. Letztlich seien andere Maßnahmen wirkungsvoller, wenn es darum ginge, Lehrkräfte zu maßregeln, die versuchten, Schülerinnen und Schüler mit verfassungsfeindlichen Ansichten zu indoktrinieren. Darauf weisen Ulla Brede-Hoffmann, bildungspolitische Sprecherin und Ingeborg Sahler-Fesel, stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichstellung und Frauenförderung, hin.
„Es ist unbestritten, dass fundamentalistisch und verfassungsfeindlich eingestellte Frauen wie auch Männer für den Beruf der Lehrkraft nicht geeignet sind“, so die Abgeordneten. Diesen Menschen könne unabhängig vom Geschlecht auf Grundlage des Beamtenrechts und mit Hilfe der Schulaufsicht Einhalt geboten werden.
„Dagegen trifft ein Kopftuchverbot gerade und ausschließlich solche Frauen, die mit ihrem Streben nach Abitur, Studium und Berufstätigkeit aus einem konservativen islamischen Frauenbild auszubrechen versuchen und einen emanzipatorischen Weg beschreiten wollen“, geben die Abgeordneten zu bedenken.
Dass jede Kopftuch tragende Muslimin von männlichen Familienmitgliedern dazu gezwungen werde, sei eine Unterstellung, die Frauen entmündige. Für viele Musliminnen sei Emanzipation und Kopftuch eben kein Widerspruch. „Ziel muss es daher sein, diese Frauen in unsere Gesellschaft zu integrieren und sie nicht durch die gesetzliche Zementierung von Feindbildern auszugrenzen. Frauen muslimischen Glaubens sollten auf ihrem Berufsweg gestärkt werden, damit sie einen selbstbewussten, frei gewählten Lebensentwurf verfolgen können“, so Brede-Hoffmann und Sahler-Fesel.
Verwundert zeigt sich Sahler-Fesel darüber hinaus als Obfrau der Enquetekommission Integration und Migration: „Die Bedeutung von muslimischen Erzieherinnen und Lehrerinnen in unseren Bildungseinrichtungen für die Integration wird in der Enquetekommission fraktionsübergreifend von allen Mitgliedern sowie Fachleuten betont. Wie wenig Respekt zollen denn eigentlich die Vertreterinnen und Vertreter der CDU der Arbeit in unserer Enquetekommission, dass sie deren Diskussionsergebnissen und Voten vorgreifen“.
„BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz verurteilen die Gesetzesinitiative der CDU ebenfalls auf das Schärfste. Sie ist verfassungswidrig und einseitig diskriminierend. Die Initiative der CDU beweist wieder einmal, dass es der CDU vor allem darum geht, Menschen muslimischen Glaubens auszugrenzen, um Wählerstimmen am rechten Rand zu gewinnen. Sie macht sich noch nicht einmal die Mühe zu erklären, worin die vermeintlichen Gefahren von Lehrerinnen mit Kopftuch bestehen“, so Daniel Köbler.
„Die CDU irrt, wenn sie meint, dass das Bundesverfassungsgericht das Vorhaben mit trägt, alleine muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern im Unterricht zu verbieten. Zwar können nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Bundesländer muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten, wenn sie dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. Das Gericht hat aber gleichzeitig festgeschrieben, dass die Verpflichtung von Lehrern, in ihrem äußeren Erscheinungsbild die Religionszugehörigkeit nicht erkennbar zu machen, nur dann mit der Verfassung vereinbar ist, wenn alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt würden. Beim vorliegenden Gesetzentwurf der CDU ist dies jedoch nicht der Fall, und daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab“, so Josef Winkler.
FDP-Landtagsabgeordnete Werner Kuhn sagte, dass die FDP-Landtagsfraktion ein entsprechendes Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Landtags in Auftrag geben wird. Auf dieser Grundlage könne dann entschieden werden, ob und in welcher Form eine gesetzliche Regelung in Rheinland-Pfalz möglich und auch geboten sei. Politik
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Vielen Dank für diesen Artikel – das in NRW bereits bestehende Verbot zeigt deutlich, dass es nicht zu den gewünschten Zielen – was immer man von ihnen halten mag – führt. Im Gegenteil setzen sie die betroffenen Personen unter Druck und verstärken Abkapselung und Rückzug. Das kann wohl niemand befürworten. Die Schule zu einem wertefreien Raum zu machen ist meiner Ansicht nach ein schwachsinniger Ansatz, er wird der Realität in keiner Weise gerecht. Der neu erschienene Bericht zur Kopftuchdebatte von Human Rights Watch betont, dass es sich bei den Verbotsgesetzen um Diskriminierung auf mehreren Ebenen handelt. Vielleicht sollten die Damen und Herren der CDU diesen Bericht einmal lesen.
Man kann zur SPD und zu den Grünen stehen wie man will, doch in Punkto Kopftuchverbot für Lehrerinnen per Gesetz zeigen sie wieder Mal, dass sie differenzierter und Lösungsorienter handeln als ihre CDU-Konkurenten. Anstatt zu pauschalisieren und zu verallgemeinern, suchen sie die Lösung in Objektivität und nicht in Diskriminierung.Vor allem eins muss man ihnen lassen: Sie maßen sich nicht an Muslimen den Islam erklären und intepretieren zu wollen.
Ob eine Frau sich für oder gegen das Kopftuch entscheidet, bleibt ihr überlassen. Schlussendlich kommt es nicht darauf an was auf, sondern in dem Kopf der betreffenden Person ist.
Da kann ich Herrn Moubarrid nur zustimmen.
Ich bin sehr froh darüber, daß in einigen Parteien (hier bei der SPD und den Grünen in Rheinland-Pfalz) ein neues Denken einzusetzen scheint. Fehler der Vergangenheit soll man lieber spät, als überhaupt nicht korrigieren. Wie kommen wir mit unserem liberalen Grundgesetz dazu, muslimischen Frauen ihre Erscheinung wo auch immer aufzuzwingen? Tun wir das auch mit unseren katholischen Ordensschwestern? Mit solchen Themen zu polarisieren, kann für das harmonische Zusammenleben der verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen nur nachteilig sein. Leider haben einige Politiker (auch in Hessen) in ihren Einschätzungen und Äußerungen nicht das nötige Gespür für interkulturelle und ökumenische Zielsetzungen gezeigt.
Wir haben, besonders in diesen Monaten, andere Sorgen einer Dimension, bei welcher wir uns vielleicht eines Tages wünschen würden, „nur“ Kopftuchthemen gehabt zu haben. Ich könnte mir selbst vorstellen, daß man vielleicht eines Tages ebenso sagen wird: hätten wir doch nur islamische Banken, dann hätten wir nicht Billionen von Steuergeldern in westlichen korrupten Bank-Casinobetrieben verloren. Islamische Banken haben nämlich nicht unsere Auffassung von Zinswucher, Betrug und Gewinn um jeden Preis. Sie sind deshalb in der jetzigen Situation in einer viel besseren Situation als unsere Großbanken mit ihren riesigen schwarzen Löchern.
Im übrigen möchte ich das Beispiel Wiesbaden erwähnen: alle vier politischen Parteien gingen vor Jahren auf die Muslime der Stadt zu und schlossen in vorbildlichen Verhandlungen im September 2007 eine Kooperations- und Integrationsvereinbarung. Eine Konsequenz dieser Vereinbarung dürfte es auch sein, daß Musliminnen mit Kopftuch in den Verwaltungsdienst aufgenommen werden sollen. Wiesbaden kann auf ihren Oberbürgermeister Dr. Müller (CDU), der dieses fortschrittliche Denken in Rede und Tat unterstützt, nur stolz sein. Also, es geht auch so, ganz ohne Ausgrenzung, ohne Brüskierung, aber mit Feingefühl und Weitsicht.
Die CDU beweist wieder mal ihre Intoleranz und Umgehen des Grundgesetzes nach ihren Maßstäben.
„Das Tragen (…) darf im Einzelfall deshalb nicht erlaubt sein, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter damit eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie oder eine fundamentalistische Stellungnahme für ein Staatswesen verbindet, was im Widerspruch zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung (…) steht “
Das kann nicht im Ernst die Argumentation der Partei sein, oder?
Kopftücher symbolisieren also „verfassungswidrige Ideen“?!?
Achso entschuldigung, es heißt ja „zumindest NUR für einen TEIL der Befürwörter“.
Gegenfrage: Welche Symbole benutzt unser Herr Williamson? Ich bin dafür, dass Symbole (wie das Kreuz) die manche Holocaust-Leugner nutzen, nicht in der Schule an der Wand jedes Zimmers hängen. Es handelt sich zwar nur um vereinzelte Leute – aber immerhin. Ist nicht „deutsch“.
Worauf ich abziele: Diese Argumentation ist genauso absurd wie die der CDU.
Noch viel schlimmer aber ist, dass man Teile der Islamischen Kultur und Religion „offiziell“ versucht im Lande als „nicht verfassungskonform“ bzw sogar „verfassungsfeindlich“ zu verankern.
DAS verstößt meiner Meinung nach gegen die IDEE einer Verfassung und gegen die Religionsfreiheit, wenn der Staat plötzlich formuliert was seiner „Meinung“ nach verfassungsfreundliche und verfassungsfeindliche Ideen von anderen Ideen sind.
Das ganze ist reiner Populismus und katapultiert uns nur in die Vergangenheit.
Da werden von vielen Menschen und Institutionen in diesem Land enorme Anstrengungen unternommen, die Hemmnisse und Mauern zu überwinden und die religiöse und kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft für ein kultiviertes, für alle bereicherndes und fruchtbares Miteinander zu nutzen. Doch immer wieder verstehen es Provinzgeister und Ewigbiedere, alles zu übertönen und ein Randthema wie das Kopftuch zum Existenzthema der Republik zu machen.
Wieder werden die Medien tagelang, wochenlang nichts Wichtigeres zu berichten haben, wieder werden Energien und Ressourcen sinnlos vergeudet, Briefe geschrieben, hitzige Diskussionen geführt. Und am Ende werden noch ein paar Betrogene mehr unter jedem Koptuch ein mögliches Moster sehen, furchtsam zusammenzucken, wenn sie allein mit „einem Koptuch“ im Aufzug sind, leise vor sich hin oder auch laut fluchen, wenn sie auf der anderen Straßenseite eine Frau mit Kopftuch sehen. Wieder wird Deutschland sich selbst und der Welt – die das wahrscheinlich nicht im Gerinsgten interessiert – beweisen, dass es immer wieder die gewaltige Kraft aufbringen kann zu grandiosem Provinzgehabe und lautstarkem wir-retten-die-Menschheit-Getöse.
Schade. Dabei gehen die wunderbaren Seiten dieses Landes und wunderbare Menschen völlig unter und müssen, ganz wie einst Sisyphos, morgen wieder neu anfangen. Das wirklich Erschreckende daran ist, dass die Ewiggestrigen ihren Unfug in dem Selbstverständnis von „wehret den Anfängen“ treiben.
Ich würde mir wünschen, dass einige Intellektuelle, die diese Büchse der Pandora mit aufgetreten haben, sich zu Wort melden würden, um den unseligen Gesit wieder einzufangen. Die Erfahrung und die Diskussionen der letzten zwanzige Jahre müssten sie eigentlich klüger gemacht haben. Und Human Rights Watch dürfte unbefangen genug sein, um sich zusammen mit seinem Bericht Sorgen um die Geisteshaltung unserer Gesellschaft zu machen. Denn um nichts weniger als diese geht es in Wirklichkeit, längst nicht mehr eine vermeintliche Bedrohung durch das Kopftuch.
Die CDU-CSU ist halt zu konservativ, hat Scheuklappen an wenn es um Thema „ISLAM“ geht, Ihre Parteichefs und Mitglieder haben Angst dass sich ein gutes Bild des Islams durch gute Lehrkräfte verbreitet.Wahrscheinlich aus fehlenden Selbstbewusstsein der Christdemokraten oder aber aus Intoleranz..Wie anders kann man erklären dass Ordensschwestern in „Uniform“ lehren dürfen, Musliminen aber nicht, jedenfalls nicht überall!
@ Monzer Harb („Wie anders kann man erklären dass Ordensschwestern in “Uniform” lehren dürfen, Musliminen aber nicht, jedenfalls nicht überall!“
Das ist deshalb weil Ordenstrachten (nicht Uniformen!) zur Berufskleidung zählen und Kopftuch nun einmal nicht.
Grundsätzlich finde ich dass Religion Privatsache ist. Man sollte seine Zugehörigkeit überhaupt nicht zur Schau stellen. Das Kopftuch bedeutet: schaut her, ich bin gut und anständig und ihr Nicht-Muslimas nicht. So wird es von vielen Christen empfunden und daher kommt die Ablehnung.
@Zsuzsa Palffy: Freiheit ist einer der Grundwerte dieser Gesellschaft, das heisst z.B. man hat das Recht sich so freizügig anzuziehen wie man(n) will, aber das heisst auch man darf sich so keusch anziehen wie man will!
Es geht beim Kopftuch nicht darum seine Religion zur Schau zu stellen,es geht darum Keuscheit zu bewahren!Deshalb ist der Kopftuch auch ein Wert für andere Religionen wie Judentum und Christentum (obwohl es viele nicht wissen).
und zum Thema „Ich bin anständig und Ihr nicht“ wenn mann deshalb alles ablehnt dann dürfte es bald keine Guten Werte geben, Es sind eher die Werte die gefördert werden sollten!
Zsuzsa Palffy hat da mutigerweise einen sehr wichtigen Punkt angesprochen und korrekterweise auch hinzugefügt, dass das Kopftuch von vielen Christen (leider) als Anstandsmerkmal empfunden und nicht abgestempelt wird. Aber wie oft erlebt man das mal die Kopftuchtragende gefragt wird was sie denn empfindet? Leider viel zu selten! Und die Einstellung einiger CDU-Angehöriger (mir ist keine nettere Bezeichnung eingefallen) trägt nicht gerade dazu bei das sich das in Zukunft ändert. Und da ist Schade. Denn man uberlässt es den „Experten“ zu entscheiden warum eine muslimische Frau ein Kopftuch tragen muss! Hoffentlich werden nicht bald auch Stimmen laut die die muslimischen Männer von Ihrem Bart befreien wollen.