Herkunft und Spielsucht
Exerten warnen vor voreiligen Schlüssen
Studien belegen: Menschen mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zu Personen ohne Einwanderungsgeschichte häufiger von Spielsucht betroffen. Rückschlüsse auf die Herkunft lassen sich daraus jedoch nicht ziehen. Experten warnen vor voreiligen Schlüssen.
Dienstag, 23.01.2024, 0:02 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 26.01.2024, 11:38 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Gesicherte Zahlen gibt es keine. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland etwa vier Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die regelmäßig an Glücksspielen teilnehmen. Die Zahl derer, die süchtig sind, sind im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund deutlich höher. Stellt sich die Frage: Warum ist das so?
Vorab: Wer jetzt in der Herkunft den Unterschied sucht, wird nicht fündig. Es gibt zahlreiche Faktoren, die das Spielen und in besonders intensiven Fällen auch die Sucht begünstigen. Unabhängig von der Herkunft ist beispielsweise das Beschäftigungsverhältnis einer Person ein wesentlicher Faktor. Menschen, die arbeitslos sind, kämpfen häufig gegen Langeweile und suchen in Spielen Spaß, Spannung und die Gesellschaft mit anderen Spielgefährten – oft in der Spielhalle vor Ort oder im Internet in virtuellen Welten.
Problem: Perspektivlosigkeit
Die Arbeitslosigkeit bedingt einen weiteren Faktor: fehlende finanzielle Mittel. Wer stetig knapp bei Kasse ist und sich keinen Luxus, Urlaub oder die neueste Spielekonsole fürs heimische Wohnzimmer leisten kann, sucht sein Glück oft in Spielen, die hohe Gewinnchancen versprechen. Die Sehnsucht nach etwas, dass man sich sonst niemals leisten könnte, ist oft ein entscheidender Antreiber für das Spielen mit echtem Geld.
Ein Blick in die Branche zeigt, dass es einen regelrechten Boom gibt. Nahezu täglich entstehen neue Spieleplattformen, die um rund um den Globus um die Gunst der Spieler buhlen. Anbieter wie Novoline boomen im deutschen Markt. Sie versprechen Spaß, Vergnügen und hohe Gewinne.
Ein weiterer Faktor, der insbesondere die Sucht befördert, ist die Fähigkeit einer Person, eventuelle Spielverluste finanziell und emotional kompensieren zu können. Wer ohnehin wenig Geld hat, bei dem fallen Spielverluste stärker ins Gewicht als jemand mit regelmäßigen Einnahmen durch Arbeit oder andere Einkünfte.
Herkunft spielt keine Rolle
Auch emotional kann eine Niederlage oder Verlust von Geld schmerzhaft sein. Personen, die fest im Leben stehen, die zumindest ein Arbeits- und Kollegen-Umfeld haben, können solche Situationen eher kompensieren als Personen, die keinen Job haben. Erstere bekommen auf der Arbeit häufig das nötige Selbstbewusstsein durch ihre erbrachte Leistung. Letzteren müssen aufgrund des „Nichtstuns“ ihr Ego anderweitig befriedigen – notfalls mit einem Sieg im Spiel.
Aus diesen und weiteren zahlreichen Gründen sind statistisch gesehen Arbeitslose häufiger spielsüchtig als Menschen, die einer geregelten Beschäftigung nachgehen, Geld verdienen. Und weil Personen mit Migrationshintergrund häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind, fallen sie statistisch häufiger in Spielsucht. Wie Studien zeigen, müssen Einwanderer vom Kindesalter an mehr Hürden überwinden als ihre Altersgenossen ohne Einwanderungsgeschichte. Sie müssen eine ganz neue Sprache lernen, müssen gegen Vorurteile kämpfen, werden nicht selten diskriminiert usw. Sie werden auch im Erwachsenenalter benachteiligt bei der Jobsuche oder bei der Suche nach einer Wohnung. Die Gründe sind vielfältig. Im Ergebnis sind sie häufiger arbeitslos und müssen im Durchschnitt mit weniger Geld ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Unseriöse Anbieter erkennen
Der schnelle Kick im Spiel bietet diesen Menschen einen schnellen und kurzweiligen Ausweg aus dem Alltag. Es dauert nicht lange und man ist schon gefangen, das ein böses Ende haben kann, wenn man nicht aufpasst und sich dem natürlichen Spieltrieb vollkommen hingibt.
Zahlreiche Anbieter bieten inzwischen Kontrollmechanismen für Spieler an, um sie vor einer möglichen Sucht zu schützen. Manche Anbieter weisen auf ihren Seiten ausdrücklich auf die Gefahren hin und bieten weiterführende Informationen, manche nicht. Es gibt im Netz viele Anbieter, die unseriös sind. Wer nicht aufpasst, dem drohen nicht nur finanzielle Verluste.
Professionelle Hilfe
Wie Studien zeigen, verlieren Süchtige nicht nur ihr Geld, sondern häufig auch ihre Familie, Freunde, ihre soziale Umgebung. Denn wer süchtig ist, verbringt nicht nur viel Zeit mit dem Spielen selbst, sondern kann über sein Problem oft auch nicht reden mit der Familie oder Freunden. Betroffene ziehen sich in solchen Fällen häufig zurück und meiden sogar bewusst den Kontakt zu anderen – teilweise auch aus Gewissensbissen.
Experten raten in diesen Fällen, fachkundige und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Angebote – auch fremdsprachige – gibt es inzwischen immer häufiger. Mit einer kleinen Recherche im Internet kann man schon oft lokale Hilfs- und Unterstützungsangebote finden. (dd) Panorama
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