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Undifferenziert & verzerrt

Zentralrat beklagt falsche Darstellung des Judentums in Schulbüchern

In deutschen Schulbüchern wird das Judentum dem Zentralrat zufolge oft verzerrt. Workshops mit dem Verband Bildungsmedien soll sensibilisieren. Antisemitismusbeauftragte sehen Schulen in der Pflicht.

Freitag, 08.11.2019, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.11.2019, 15:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Zentralrat der Juden in Deutschland beklagt eine häufig undifferenzierte oder gar verzerrte Darstellung des Judentums in deutschen Schulbüchern. „In Text und Bild wird mitunter ein Eindruck des Judentums vermittelt, der mit der Realität des jüdischen Lebens in Deutschland und mit der jüdischen Religion wenig zu tun hat“, erklärte der Rat in Berlin.

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Daher veranstalte der Zentralrat zusammen mit dem Verband Bildungsmedien im Winterhalbjahr 2019/2020 eine Workshop-Reihe für Schulbuchverlage. Redakteuren und Autoren von Religions- und Ethikbüchern solle vermittelt werden, wo sich alte Stereotype wiederfinden und wo „in der Darstellung des Judentums Fallstricke liegen“.

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Wissen über das Judentum erschreckend

„In der Bevölkerung ist das Wissen über das Judentum zum Teil erschreckend gering oder klischeebehaftet“, sagte Zentralrats-Präsident Josef Schuster. Unwissenheit könne jedoch schnell zu Vorurteilen führen. „Es ist wichtig, gerade bei jungen Leuten dieser Entwicklung entgegenzuwirken“, betonte Schuster. „Eine fachlich korrekte und sachgerechte Beschreibung der jüdischen Religion im Schulunterricht leistet dazu einen entscheidenden Beitrag.“

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Der Vorsitzende des Verbands Bildungsmedien, Ilas Körner-Wellershaus, sagte, er begrüße die gemeinsamen Workshops seiner Mitgliedsverlage mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland. Diese könnten ein Beitrag zu einer lebendigen Darstellung und Vermittlung jüdischen Lebens, zum Abbau von Klischees und zu Toleranz und Akzeptanz sein. An den Workshops, die vom Zentralrat der Juden gestaltet werden, nehmen den Angaben zufolge folgende Schulbuch-Verlage teil: C.C. Buchner, Calwer, Cornelsen, Klett-Auer, Park Körner, Stark sowie Vandenhoeck & Ruprecht.

Klein für Meldepflicht der Schulen

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, fordert derweil eine bundesweite Meldepflicht für Schulen bei antisemitischen Vorfällen. Eine entsprechende Regelung gebe es bereits in Berlin und Baden-Württemberg, sagte Klein der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Für eine Schule gebe es bei einer Meldepflicht keine offenen Fragen, „dann muss sie solche Vorfälle anzeigen und dem nachgehen“.

Dem neuen Antisemitismus-Beauftragten des Landes Niedersachsen, Franz Rainer Enste, zufolge spielt schon die Grundschule eine wichtige Rolle beim Einüben von Respekt und Toleranz: „Es reicht nicht, sich in gewiss hochqualifizierten Leistungskursen des Gymnasiums mit verschiedenen Auswirkungen des NS-Unrechtsstaates zu beschäftigen“, erläuterte er. „Wir müssen sehr viel früher ansetzen, um einen tiefsitzenden Respekt und eine respektvolle Toleranz gegenüber unseren Mitmenschen zu vermitteln.“

Appell an Lehrer

Enste appellierte an Lehrer und Schulleiter, Besuche in Gedenkstätten für frühere Konzentrationslager wie in Bergen-Belsen bei Celle oder Esterwegen bei Papenburg auf den Lehrplan zu setzen. Jeder Schüler sollte eine solche Fahrt mindestens einmal in der Schulzeit erlebt haben. „Die Erinnerungskultur hat eine besondere Bedeutung, um unser Land zu immunisieren gegen alle Tendenzen, die Menschen bedrohen und Unfreiheit erzeugen“, betonte Enste.

Der frühere Regierungssprecher Enste (66) war von der Landesregierung als erster Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens in Niedersachsen eingesetzt worden. Der promovierte Jurist trat seine ehrenamtliche Aufgabe am 1. November an. Seine Stelle ist dem Justizministerium zugeordnet. Enste kündigte an, er werde demnächst intensive Gespräche mit jüdischen Gemeinden sowie mit Sicherheitsbehörden und dem Verfassungsschutz führen. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Ute Plass sagt:

    „Die Erinnerungskultur hat eine besondere Bedeutung, um unser Land zu immunisieren gegen alle Tendenzen, die Menschen bedrohen und Unfreiheit erzeugen“, betonte Enste.

    Ja, und daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass pädagogische Konzepte jegliche Menschenfeindlichkeit zum Thema haben müssen.

    Verpflichtende Besuche von KZ-Gedenkstätten werden nicht ausreichen
    um drohende gesellschaftliche Verwerfungen abzuwehren. Notwendig ist eine Politik die das Wohl ‚aller Menschen‘ im Blick hat.

    Eine Meldepflicht, die sich auf antisemitische Vorfälle fokussiert, halte ich für falsch. Dies ist kein geeignetes Mittel um ‚jüdisches Leben‘ hierzulande
    zu schützen.