Wenig Erfolgsaussichten
Wittenberger „Judensau“ vor Gericht
Der Streit um die Wittenberger Schmähplastik der "Judensau" geht weiter. Der Kläger sieht sich diffamiert, die Stadtkirchengemeinde verweist auf ein vorhandenes Mahnmal. Über die Berufungsklage wird Anfang Februar entschieden.
Mittwoch, 22.01.2020, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.01.2020, 17:46 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Berufung gegen ein Urteil zum Verbleib der antisemitischen Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche wird voraussichtlich wenig Erfolg haben. Der Vorsitzende Richter des Oberlandesgerichtes Naumburg, Volker Buchloh, erklärte in der Verhandlung am Dienstag, das Gericht beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass das Sandsteinrelief zur Zeit seiner Entstehung dazu diente, Juden verächtlich zu machen. Das Relief allein mit der Darstellung der Sau und der Juden sei eine Herabwürdigung von Juden. Der Richter verwies aber darauf, dass die mehr als 700 Jahre alte „Judensau“ in ein Gesamtensemble mit einem Mahnmal eingebunden sei. Damit sei eine Beleidigung objektiv nicht mehr gegeben.
Der Kläger, Michael Düllmann, ist Mitglied einer jüdischen Gemeinde und verlangt indes die Abnahme der Plastik. Aus seiner Sicht könnte die „Judensau“ in einem Museum untergebracht und dort entsprechend eingeordnet werden. Er sieht sich durch die Plastik als „Saujude“ und das „ganze Judentum“ diffamiert. Der gebürtige Sachsen-Anhalter erklärte mit Blick auf die beklagte Evangelische Stadtkirchengemeinde als Eigentümerin der Kirche in der Lutherstadt: „Ich mache Sie dafür verantwortlich.“ Das vorhandene Mahnmal aus den 1980er Jahren lehnt Düllmann ab. Er hält es für verfälschend: „Schämen Sie sich.“
Ein gewaltiger Unterschied
Düllmann sieht „einen gewaltigen Unterschied“, ob die „Judensau“ an der Stadtkirche verbleibt oder in ein Museum, beispielsweise in das Lutherhaus, wandert. Im Museum hätte die Plastik eine aufklärerische Wirkung, an der Stadtkirche dagegen eine „aufhetzende Wirkung“, sagte er und verwies unter anderem auf das Museum Yad Vashem, in dem man aufgeklärt und eben nicht beleidigt werde. Stadtkirchenpfarrer Johannes Block äußerte vor Gericht zunächst Bedauern und erinnerte daran, dass die Stadtkirchengemeinde nicht Auftraggeber der Schmähplastik, sondern nur deren Erbe sei.
Vor mehr als 30 Jahren habe sich die Gemeinde bereits für die Errichtung des Mahnmals vor der Stadtkirche entschieden, so Block. Die Memorialgeschichte sei aber noch nicht abgeschlossen. Es sei angedacht, die „Stätte der Mahnung“ weiterzuentwickeln und mehr Schritte in Richtung Versöhnung zu gehen, betonte er. „Wir wollen mit dem Originalstück an die Geschichte erinnern. Für diesen Weg haben wir uns entschieden.“ Zu Düllmann gerichtet sagte Block: „Wir wollen eigentlich das Gleiche.“ Seine Gefühle und Aggression könne er nachvollziehen, ergänzte er.
Urteil Anfang Februar
Das Urteil wird am 4. Februar um 15 Uhr im Oberlandesgericht Naumburg verkündet. Sollte die Berufungsklage abgewiesen werden, könnte der Kläger noch Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe einlegen, so das Gericht die Revision zulässt. Der Richter deutete am Dienstag bereits an, dass der BGH darüber entscheiden könnte, da es nicht nur einen Fall an der Wittenberger Stadtkirche, sondern noch an vielen anderen Kirchen, unter anderem am Erfurter Dom und am Magdeburger Dom, solche Schmähplastiken gebe.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte am 24. Mai 2019 die Klage abgewiesen, weil es den Tatbestand der Beleidigung nicht als erfüllt ansah. (epd/mig) Aktuell Panorama
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