Scharfe Kritik
EU-Fördergelder für Zwangsarbeit in Eritrea?
Eine Straße soll Frieden fördern und Arbeitsplätze schaffen, um letztlich Flucht zu verhindern. Doch die Strecke von Eritrea nach Äthiopien bauen vor allem Frauen und Männer, die den vorgeschriebenen lebenslangen Nationaldienst ableisten.
Von Bettina Rühl Dienstag, 28.01.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 27.01.2020, 14:11 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Straße könnte als Friedenszeichen gewertet werden. Sie verbindet die über Jahrzehnte verfeindeten Nachbarländer Eritrea und Äthiopien. Doch die Strecke auf eritreischer Seite, die jetzt mit EU-Geld wiederhergestellt wird, verdeutlicht die Grausamkeit der Diktatur in dem Land: Sie entsteht vor allem durch Zwangsarbeit.
Insgesamt 80 Millionen Euro hat die EU-Kommission dafür bewilligt. Die Mittel stammen aus dem EU-Treuhandfonds für Afrika, der 2015 aufgesetzt wurde, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Sehr viele der Flüchtlinge, die nach Deutschland und Europa kommen, stammen aus Eritrea. Jedes Jahr fliehen Zehntausende Menschen aus dem ostafrikanischen Land. Anfang 2019 zahlte die Kommission 20 Millionen Euro für den Straßenbau, Ende 2019 bewilligte sie weitere 60 Millionen.
Scharfe Kritik von Menschenrechtlern
Laut EU-Kommission soll das Projekt den Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea fördern und Arbeitsplätze schaffen. Doch Menschenrechtler kritisieren die EU-Hilfe scharf. „Uns beunruhigt vor allem, dass die EU zum ersten Mal eingeräumt hat, dass es im Zusammenhang mit dem Projekt Zwangsarbeit geben könnte“, sagt Laetitia Bader von Human Rights Watch. „Und zwar durch Nationaldienstleistende in Eritrea.“
Eritrea gilt als eine der härtesten Diktaturen der Welt. In dem Fünf-Millionen-Staat sind Männer und Frauen lebenslang zum Nationaldienst verpflichtet. Nach der militärischen Ausbildung werden sie beliebig eingesetzt, beispielsweise in der Armee, als Lehrer, im Straßenbau oder als Landarbeiter. Einen freien Arbeitsmarkt gibt es praktisch nicht, weil die gesamte Bevölkerung zum Dienst gezwungen ist.
Friedensnobelpreis für Abiy
Die Regierung unter Präsident Isayas Afewerki hat den Dienst lange mit einem drohenden Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien begründet. Doch in Äthiopien haben sich die politischen Verhältnisse stark verändert, seit Abiy Ahmed im April 2018 Ministerpräsident wurde. Im Juli desselben Jahres unterzeichneten Abiy und Afewerki einen Friedensvertrag. Die Grenze zwischen den Ländern wurde geöffnet, allerdings nach wenigen Monaten von Eritrea aus nach und nach wieder geschlossen.
Abiy wurde 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, Afewerki aber nicht mit bedacht, weil in Eritrea alles beim Alten blieb. Auch die Zahl der Fliehenden ging nicht zurück. Nach Einschätzung Baders hat sich die Lage sogar verschlimmert. Im September 2019 wurden sieben konfessionelle Schulen beschlagnahmt, nachdem zuvor laut der katholischen Kirche bereits fast 30 kirchliche Kliniken und Apotheken enteignet worden waren.
Lebenslanger Nationaldienst
Trotz des Friedensvertrages mit Äthiopien hält die eritreische Regierung am lebenslangen Nationaldienst fest. Er bringe die Bevölkerung in Arbeit, heißt es zur Begründung. Diese Perspektive scheint sich die EU-Kommission zu eigen zu machen. Kommissionssprecherin Ana Pisonero erklärte Mitte Januar vor Journalisten in Brüssel: „Sie wissen ja selbst, dass die Schaffung von ausreichend Jobs eine der Bedingungen dafür sein wird, dass wir Eritrea dabei helfen können, den unbegrenzten Charakter seines Nationaldienstes zu reformieren.“
Zwar verurteile die EU Menschenrechtsverletzungen grundsätzlich und werte den zeitlich unbegrenzten Nationaldienst als Verstoß gegen die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, sagte Pisonero. „Aber wir müssen auch deutlich sagen, dass die Politik der Isolierung, die wir in der Vergangenheit verfolgt haben, nicht funktioniert hat.“
Keine Überwachungsmöglichkeit
Menschenrechtlerin Bader sieht aber zudem das Problem, „dass es keine Möglichkeit gibt, die Verwendung der EU-Mittel durch eine unabhängige Stelle zu überwachen“. Schließlich genehmige die eritreische Regierung Fahrten außerhalb der Hauptstadt Asmara nur äußerst widerwillig. Dem widersprach eine EU-Sprecherin: Die EU mache sich regelmäßig ein Bild von der Lage, durch den Dialog mit ihren eritreischen Partnern und die Inspektion des gelieferten Baumaterials, teilte sie dem „Evangelischen Pressedienst“ mit. Im vergangen Jahr seien außerdem drei Ortsbesuche gemacht worden, „ohne dass unnormale Arbeitsbedingungen beobachtet worden wären“.
Die EU hat dafür gesorgt, etwas Abstand zwischen sich und das Projekt zu bringen: Umgesetzt wird es vom Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen (Unops). Auf die Kritik von Menschenrechtsaktivisten betonte die EU denn auch, sie zahle nicht für die Arbeit, sie zahle nur für Ausrüstung und technische Geräte. (epd/mig) Aktuell Wirtschaft
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- Nach Budget-Halbierung Regierungsbeauftragter für Reform der Integrationskurse
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- „Hölle“ nach Trump-Sieg Massenabschiebungen in den USA sollen Realität werden
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
Nachstehend meine Mail an die EU
——————————————————————————————————————
An: ‚Bjoern.SEIBERT@ec.europa.eu‘ ; ‚Marilena.ZAMMIT@ec.europa.eu‘ ; ‚SG-MAIL-PRESIDENT-ELECT@ec.europa.eu‘
Betreff: WG: Eritrea // Frage an Frau Dr. von der Leyen
Sehr geehrte Frau Dr. von der Leyen,
nachstehende Mail hatte ich an Ihr WK-Büro geschickt (…siehe bitte unten). Die Mailadresse scheint nicht mehr gültig zu sein, da Fehlermeldung. Also auf diesem Weg zur Ihrer Info.
Nun waren Sie Anfang 2019 noch nicht im Amt, aber ab Mitte 2019 schon. Immer vorausgesetzt die Infos im Artikel stimmen, bezahlt bzw. unterstützt die EU also aus dem „EU-Treuhandfonds für Afrika zur Fluchtursachen-Bekämpfung“ Diktatoren und Zwangsarbeit. Das ist ja mal eine „interessante“ Bekämpfungsmethode, gewiss sehr effektiv … bei der Bekämpfung von Fluchtursachen.
Falls die EU mit all ihren Info-Möglichkeiten es noch nicht mitbekommen hat … der Nationaldienst (wird auf offizieller eritreischer Seite gern als Grundwehrdienst bezeichnet) ist einer der Hauptgründe für die Flucht der vielen jungen Menschen (Frauen und Männer) aus dem Land. Junge Menschen, die zum Aufbau des Landes und der Entwicklung eigentlich dringend daheim benötigt werden. Durch meine Arbeit als ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer kenne ich viele „eritreische Fluchtgeschichten“.
Provokativ gefragt: Sind diese Maßnahmen der Grund für die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU in 2012.
Denn gerade in der Flüchtlingspolitik versagt die EU ja – außerhalb und innerhalb (sieht man nur die Lager auf den griechischen Inseln, die vielen Kinder etc.).
Zitat: Kinder müssen wieder willkommen sein und einen festen Platz im Alltag haben (Ursula von der Leyen/2004-Welt am Sonntag-19.12.2004)
Mir ist klar, daß das auf Familienplanung bezogen war, aber letztlich sind Kinder Kinder. Und wer Ihre Einstellung zur Religion kennt, fragt sich automatisch: Wo sind denn bei diesen Gelegenheiten die abendländischen und christlichen Werte … die wir so vehement einfordern bei Flüchtlingen.
Sollte Frau A. Pisonero es tatsächlich so gesagt haben, wie im Artikel beschrieben, ist es schlicht unverschämt. Helfen ja, denn nur durch Perspektive im Heimatland wird sich die Flüchtlingssituation ändern. Aber doch bitte nicht damit, daß man es „Herrn“ Afeferki u. Co auch noch in den „Rachen wirft“, und damit zur Verlängerung des „Systems-Afeferki“ noch beiträgt. Die Verwendung solcher Gelder muss doch an Bedingungen geknüpft sein und das muss kontrolliert werden.
Einmal mehr sollte sich die EU SCHÄMEN!
Mit freundlichem Gruß
Nachtrag:
Nach Logik der EU „hat die Politik der Isolierung“ nicht geholfen, also nimmt man jetzt die Politik der Diktatoren – das hilft?
Die sogenannten Kontrollbesuche der EU – wie blauäugig ist das denn.
Diktatorische Regime beherrschen es nahezu perfekt nur das zu zeigen, was sie zeigen wollen. Ein Blick hinter die Kulissen ist oft unmöglich.
Die EU soll doch mal mit den vielen Flüchtlingen sprechen, die beim Nationaldienst waren und gerade wegen der Bedingungen dort geflohen sind. Das wäre ehrlich!