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"Keine Beleidigung mehr"

Judensau-Schmähplastik darf weiter an Stadtkirche bleiben

Im Gerichtsstreit um die Schmähplastik in Wittenberg hat der jüdische Kläger eine weitere Niederlage erlitten. Das Relief muss vorerst nicht abgenommen werden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls wurde allerdings eine Revision zugelassen.

Donnerstag, 06.02.2020, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 05.02.2020, 17:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die als Wittenberger „Judensau“ bekannte Schmähplastik muss vorerst nicht von der Stadtkirche der Lutherstadt abgenommen werden. Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg wies am Dienstag eine Berufungsklage zurück und bestätigte somit ein Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau. Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme der Plastik aus dem 13. Jahrhundert verlangt, weil er sich durch diese als „Saujude“ und das „ganze Judentum“ diffamiert sieht. Dagegen urteilte der Senat, das Gedenkensemble mit dem Relief stelle heute keine Missachtung von Juden mehr dar. Die Stadtkirchengemeinde habe ihre Distanzierung von dem schmähenden Charakter des Reliefs deutlich gemacht. (AZ: OLG Naumburg 9 U 54/19)

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Dem Kläger stehe ein Beseitigungsanspruch nicht zu, weil das Relief aktuell weder beleidigenden Charakter habe, noch das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletze, führte der Vorsitzende Richter Volker Buchloh zur Urteilsbegründung aus. Unstreitig sei aber, dass das Relief zur Zeit seiner Entstehung Juden verächtlich machen sollte. Das Relief sei aber durch die beklagte Stadtkirchengemeinde heute in ein Gedenkensemble eingebunden. Eine Info-Tafel zeige, dass sich die Stadtkirchengemeinde unmissverständlich von den Judenverfolgungen und den antijudaistischen Schriften Martin Luthers (1483-1546) distanziere. Seit 1988 gibt es auch ein Mahnmal an der Stadtkirche.

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Beleidigung bleibt eine Beleidigung

Der Kläger hatte argumentiert, dass eine Beleidigung eine Beleidigung bleibe, auch wenn sie kommentiert werde. Aus Sicht des Gerichtes widerspricht dieses Argument der vom Kläger geforderten Unterbringung der „Judensau“ im Museum. Die Gefahr, dass die Plastik als Teil der religiösen Verkündung wahrgenommen werde, besteht nach Einschätzung des Gerichts eben durch das Gedenkensemble nicht mehr. In dem Zusammenhang verwies der Vorsitzende Richter auch darauf, dass Sprüche an KZ-Gedenkstätten wie „Arbeit macht frei“ ebenfalls heute nicht mehr als Beleidigung zu sehen seien, weil sie umgestaltet Teil eines Gedenkkomplexes seien. Hier seien durchaus Parallelen zu sehen.

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Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils kann noch Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt werden. Das Oberlandesgericht in Naumburg ließ die Revision zu, wegen der grundsätzlichen Bedeutung und der Frage, wie mit der Herabwürdigung von Personengruppen in solchen zivilrechtlichen Fragen zu verfahren sei. Der Vorsitzende Richter wies darauf hin, dass es neben dem Relief in Wittenberg auch an zahlreichen anderen Kirchen in Deutschland solche Schmähplastiken gebe.

Antisemitismusbeauftragter: Urteil nachvollziehbar

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat nach Bekanntwerden der Entscheidung erneut dafür plädiert, die Schmähplastik zu entfernen und in ein Museum zu bringen. Er respektiere das Gerichtsurteil. Doch mache die Gerichtsentscheidung einmal mehr klar, dass das Problem der sogenannten „Judensauen“ politisch gelöst werden müsse.

Der sachsen-anhaltische Antisemitismusbeauftragte Wolfgang Schneiß hingegen wirbt für eine Weiterentwicklung des Gedenk-Ensembles. Das Urteil sei für ihn nachvollziehbar, sagte der Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus am Mittwoch dem „Evangelischen Pressedienst“ in Magdeburg. Am Ende gehe es aber um Fragen, über die nicht Gerichte befinden sollten. „Die Schmähplastik ist eine Schande, aber auch ein schmerzlicher Ausdruck der Tatsache christlicher Antijudaismus über Jahrhunderte hinweg“, betonte er. 700 Jahre Schmähung könne man nicht einfach „wegnehmen“.

Zahlreiche Schmähplastiken an Kirchen

Die beklagte Kirchengemeinde ist Eigentümerin der unter Denkmalschutz stehenden und zum Unesco-Welterbe gehörenden Stadtkirche in Wittenberg. In der Vorinstanz hatte das Landgericht Dessau-Roßlau am 24. Mai 2019 die Klage abgewiesen, weil es den Tatbestand der Beleidigung nicht als erfüllt ansah. Das Relief sei Bestandteil eines historischen Gebäudes und befinde sich nicht unkommentiert an der Mauer der Stadtkirche.

Die Plastik zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Neben dem Relief in Wittenberg gibt es auch an zahlreichen anderen Kirchen in Deutschland ähnliche Schmähplastiken. Aktuell Recht

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