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Griechenland

„So dürfen Kinder nicht leben“

Aus Ländern und Kommunen wird der Ruf lauter, zumindest Flüchtlingskinder aus griechischen Lagern zu evakuieren und nach Deutschland zu holen. Die Bundesregierung setzt weiter auf eine Regelung innerhalb der EU. Bundesländer zeigen sich Aufnahmebereit, nutzen aber gesetzliche Möglichkeiten nicht.

Von Montag, 09.03.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.03.2020, 13:01 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Frierende, dreckige Kinder, umgeben von Schlamm und Müll, schauen im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos mit verheulten Augen in die Kameras. Diese Bilder kennen Zeitungsleser und Fernsehzuschauer seit Jahren. Doch die Situation in den Lagern an den EU-Außengrenzen schaffte es immer seltener in die Medien, obwohl Flüchtlingshelfer seit Jahren beklagen, dass die Zustände in den Auffanglagern immer schlechter wurden – und nun völlig zu eskalieren drohen.

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Vor diesem Hintergrund mehren sich die Forderungen, dass Deutschland zumindest Kinder aus dem Lager Moria aufnimmt. Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat sich der Forderung angeschlossen. „In dieser kritischen Situation kann Deutschland vorangehen, eine substanzielle Zahl von Schutzsuchenden aufnehmen und so helfen, Griechenland zu entlasten“, erklärte der Leiter der Rechtsabteilung der Berliner Vertretung des UNHCR, Roland Bank. Experten zufolge wird sich die Situation in den Lagern dramatisch verschlechtern, wenn die Türkei weiter Flüchtlinge vor allem aus Syrien ungehindert Richtung Griechenland ziehen lässt.

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Seehofer gegen Alleingang

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt eine Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge bisher ab. Zwar hat er sich dafür ausgesprochen, die Verteilung von 5.000 Kindern und Jugendlichen aus griechischen Lagern innerhalb der EU zu regeln. Doch dafür gibt es keine konkreten Zusagen. Einen deutschen Alleingang gebe es nicht, sagt der Minister.

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Doch nicht nur Kirchen und Sozialverbände werben für eine schnelle humanitäre Lösung für die Kinder, sondern auch SPD, Grüne und Linkspartei. Und bei einer Abstimmung über die Aufnahme Minderjähriger hat sich am Mittwochabend im Bundestag rund ein Fünftel der Abgeordneten der Fraktion von CDU und CSU hinter einem humanitären Appell versammelt.

Mehrfach überfüllte Lager

Das Lager Moria auf Lesbos ist für 3.000 Geflüchtete ausgelegt, inzwischen drängen sich dort mehr als 17.000 Menschen. Die christliche Kinderhilfsorganisation World Vision war Mitte Februar vor Ort. „Die Menschen hausen in Zelten aus Plastikplanen, schlafen in den kalten Nächten auf dem Boden, es gibt kaum Strom. Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Vor allem die Kinder leiden unter der absoluten Perspektivlosigkeit“, schilderte Vorstandsvorsitzender Christoph Waffenschmidt seine Beobachtungen: „So dürfen Kinder nicht leben.“

Mit ähnlich deprimierenden Eindrücken traten Fachleute der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Kommunen und der Hilfsorganisation „Seebrücke“ jüngst die Heimreise an. „Minderjährige Flüchtlinge brauchen besonderen Schutz und eine adäquate und sichere Unterbringung“, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Prälat Martin Dutzmann – und verwies auf zahlreiche Kommunen, Kirchengemeinden und zivilgesellschaftliche Gruppen in Deutschland, „die hier helfen wollen, es aber nicht dürfen“.

Städtetag gegen Alleingang von Kommunen

In einer „Erklärung von Lesbos“ fordert die Delegation, alle unbegleiteten Minderjährigen von den Inseln zu evakuieren, getrennte Familien zusammenzuführen und die kommunale Aufnahme von Flüchtlingen zu ermöglichen. „Dass wir nicht leistungsfähig genug wären, um noch mehr Menschen bei uns aufzunehmen, das sehe ich nicht“, sagt der Theologe Dutzmann.

Der Deutsche Städtetag erteilte der eigenständigen Aufnahme durch einzelne Bundesländer oder Kommunen eine klare Absage. „Rein rechtlich ist eine Antwort relativ einfach: Alle von Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge müssen zunächst ein Asylverfahren durchlaufen, egal auf welchem Weg sie gekommen sind. Das ist der Rahmen“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Gutachten: Bundesländer dürfen aufnehmen

Helene Heuser, Juristin an der Universität Hamburg, widerspricht. Eine Aufnahme von Schutzsuchenden aus einem EU-Mitgliedstaat durch die Bundesländer sei rechtlich zulässig sei. Das regele Paragraf 23 Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes: Die Bundesländer dürften „Ausländer aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmte[n] Ausländergruppen“ aus „völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ aufnehmen. „Die Landesaufnahme darf ungeachtet eines Asylverfahrens erfolgen“, folgert Heuser. Sie sei eine souveräne staatliche Entscheidung und unabhängig von einem etwaigen Asylverfahren.

Auch ein im Auftrag der Grünen erstelltes Rechtsgutachten besagt, dass die Bundesländer dies allein entscheiden könnten. „Sowohl das Grundgesetz als auch das einfache Recht gewähren den deutschen Bundesländern substantiellen Spielraum, Maßnahmen zur Aufnahme von Flüchtenden aus humanitären Notlagen zu ergreifen“, heißt es darin. Ausgangspunkt sei die in der Verfassung verankerte Eigenstaatlichkeit der Bundesländer. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Ute Plass sagt:

    „So dürfen Kinder nicht leben“

    Kein Mensch darf so leben.

    Wenn sich nichts an den Ursachen von Flucht u. Vertreibung ändert, wird diese Feststellung immer mehr zur hohlen Phrase verkommen.