Schwache Gesundheitssysteme
Afrika kämpft gegen das Coronavirus
In Afrika wächst die Sorge vor dem Coronavirus. Seit Wochen bereiten sich die Länder des Kontinents auf Infektionen vor. Erste Erfolge gibt es bereits. Doch arme Länder mit schwachem Gesundheitssystem bereiten Experten Sorgen. FDP fordert die Bundesregierung auf, zu helfen.
Von Bettina Rühl Donnerstag, 12.03.2020, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 11.03.2020, 23:50 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
In Afrika wächst die Sorge vor dem Coronavirus. Die Gesundheitssysteme in zahlreichen Ländern sind schlecht, viele Menschen haben überhaupt keinen Zugang zu medizinischer Infrastruktur. Und Afrika und China unterhalten enge wirtschaftliche Verbindungen. Das Risiko, dass das Virus in afrikanische Staaten eingeschleppt wird, ist deshalb hoch. Der Leiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, hatte schon am Anfang der Epidemie erklärt: „Unsere größte Sorge ist, dass Covid-19 auf Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen übergreift.“
Ende Februar hatte das nigerianische Gesundheitsministerium den ersten Fall einer Infektion mit dem Coronavirus bestätigt. Bis dahin waren nur je ein Fall in Ägypten und in Algerien registriert, wo die Zahl steigt. Inzwischen ist der Erreger der Lungenkrankheit bereits in elf afrikanische Staaten aufgetaucht. Bis Mittwoch wurden in Afrika mehr als 100 Corona-Fälle erfasst. Die meisten Infektionen gab es inzwischen in Ägypten (59), gefolgt von Algerien (20) und Südafrika (13).
Weitere Corona-Fälle wurden aber auch aus dem Kongo, aus Nigeria, Kamerun und Togo gemeldet. In Südafrika leben 7,7 Millionen Menschen mit Aids und HIV, deren Immunsystem deshalb geschwächt ist. Es wird befürchtet, dass sie durch das Coronavirus besonders gefährdet sind. Auch in anderen afrikanischen Ländern gibt es solche Sorgen. Um das Risiko zu vermindern, haben mehrere afrikanische Fluglinien ihre direkten Verbindungen nach China bis auf weiteres eingestellt. Allerdings hat sich bereits gezeigt, dass auch das keine wirksame Abschottung ist.
Vorbereitungen wirken
Die Länder südlich der Sahara bereiten sich mit Hilfe der Afrikanischen Union (AU) und der WHO schon seit Wochen darauf vor, Corona-Infektionen möglichst früh zu erkennen, um die Verbreitung unter Kontrolle halten zu können. Und es gibt durchaus Fortschritte. Als die WHO die Verbreitung von Covid-19 am 30. Januar zu einem internationalen Notstand erklärte, konnten die diagnostischen Tests nur in zwei afrikanischen Ländern gemacht werden. Inzwischen haben über 40 Länder die erforderlichen Kapazitäten.
Dazu hat das Zentrum zur Vorbeugung und Kontrolle von Erkrankungen (CDC) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba beigetragen, das von der AU betrieben wird. Es hat neben dem Ausbau der Laborkapazitäten auch mit der Fortbildung des medizinischen Personals begonnen.
Realitätsferne Ratschläge
Parallel dazu wird die Bevölkerung über die Risiken und mögliche Vorbeugungsmaßnahmen aufgeklärt. Dafür hat die WHO beispielsweise Videoclips auf Englisch und Französisch produziert. „Waschen Sie Ihre Hände regelmäßig mit Wasser und Seife oder einem Reinigungsmittel auf Alkoholbasis“, heißt es darin unter anderem. „Berühren Sie Augen, Nase oder Mund nicht mit den Fingern, essen Sie möglichst kein rohes Fleisch, vermeiden sie den unnötigen Kontakt mit wilden Tieren.“
Allerdings sind diese Ratschläge für viele Menschen realitätsfern, weil sie kein sauberes Wasser und Seife haben, geschweige denn alkoholbasierte Reinigungsmitteln. Zudem sind viele unterernährt oder haben Vorerkrankungen, weshalb sie einer Infektion weniger entgegensetzen könnten.
Gefahr groß für Afrika
Die WHO nehme die Bedrohung durch das Coronavirus sehr ernst, sagt Michel Yao. Er leitet im Regionalbüro der WHO in Brazzaville den Notfallschutz in Afrika. Yao hält die Gefahr für groß, dass sich das Virus auf dem Kontinent verbreitet. Umso wichtiger sei die sehr gute Vorbereitung. Mit Hilfe der WHO und der AU hätten die afrikanischen Länder bereits einiges erreicht: An Flughäfen und Grenzübergängen würden die Menschen gescreent, Laborkapazitäten wurden ausgebaut, Personal geschult, Isoliermöglichkeiten in Krankenhäusern geschaffen, zusätzliche Schutzausrüstung verteilt.
Den ärmeren Staaten, deren Gesundheitssysteme besonders schwach sind, hat die WHO Geld zur Verfügung gestellt, zum Teil auch eigene Experten geschickt. Dass einige Länder bereits mit Epidemien kämpfen, erweise sich jetzt nicht als zusätzliche Belastung, sondern eher als Vorteil, meint Yao. Als Beispiel nennt er die Demokratische Republik Kongo, die seit anderthalb Jahren gegen einen Ebola-Ausbruch kämpft.
Ebola Maßnahmen gegen Corona
„Deshalb werden die Menschen bereits an den wichtigsten Grenzübergängen gescreent“, berichtete er. „Wir mussten das Wissen der medizinischen Helfer dort jetzt nur noch um Kenntnisse zum Coronavirus erweitern.“ Dasselbe gelte für Isoliermöglichkeiten und Laborkapazitäten – das alles sei wegen Ebola bereits eingerichtet worden.
Yao ist mit den Vorbereitungen in den afrikanischen Ländern insgesamt recht zufrieden. Die Kapazitäten seien aber weiterhin ein Problem. „Sollten wir es mit einer hohen Zahl von Infektionen zu tun kriegen, könnte es problematisch werden, alle Patienten zu behandeln.“
FDP-Politiker fordert Corona-Hilfen für Afrika
Jetzt hat FDP-Politiker Christoph Hoffmann Hilfen für Afrika zur Bekämpfung des Coronavirus gefordert. „Die Auswirkungen des Virus werden für den afrikanischen Kontinent wegen des schwächeren Gesundheitssystems und der Armut viel verheerender als in Europa sein“, warnte Hoffmann. „Es ist damit zu rechnen, dass die Todesrate der Infizierten in Afrika am höchsten sein wird.“
Hoffmann appellierte an die Bundesregierung, im Rahmen der Nothilfe und der Entwicklungszusammenarbeit zu reagieren und die Gesundheitssysteme gegen die Pandemie zu stabilisieren. Auch die EU solle Gelder aus der Not- und der Entwicklungshilfe sofort entsprechend umschichten. (epd/mig) Aktuell Ausland
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