Ende einer Epidemie
Nach mühsamem Kampf scheint das Ebolavirus im Osten Kongos besiegt
Was bei uns die Corona-Pandemie ist, ist im Ost-Kongo der Ebola-Kampf. Das Land kämpft schon lange mit der Krankheit. Nach 20 Monaten scheint der zweitschwerste Ebola-Ausbruch der Geschichte nach vorbei zu sein - fast.
Von Marc Engelhardt Dienstag, 14.04.2020, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 13.04.2020, 13:20 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Noch im Dezember sah es so aus, als wäre ein Ende der Ebola-Epidemie im Osten Kongos unerreichbar. Zwar war die Zahl der Neuinfektionen mit dem tödlichen Virus in einer Woche auf zehn gefallen. „Aber die haben sich in einer Region ereignet, wo wir seit drei Wochen keinen Zugang mehr haben“, erklärte damals der zuständige Koordinator der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Michel Yao, frustriert. „Dort können wir nicht impfen, niemanden behandeln und keine sicheren Begräbnisse organisieren.“
Es schien, als ob der Kampf ewig währen müsste. Doch jetzt scheint er vorbei – fast überraschend. 20 Monate hat die Epidemie gedauert. Am 6. März verkündete die WHO, dass die letzte Ebola-Patientin aus einem Behandlungszentrum in der Stadt Beni entlassen wurde. Ihr Name ist Masiko.
Kurz vor dem Ziel
Den Regularien zufolge muss die UN-Organisation nach dem letzten negativen Test zwei Inkubationsperioden – also 42 Tage – lang abwarten, ob es eine neue Infektion irgendwo in den Provinzen Ituri, Süd- oder Nord-Kivu gibt. Wäre das bis Ostersonntag nicht der Fall gewesen, würde die Region offiziell nicht mehr als Infektionsgebiet gelten. Doch kurz vor Ablauf dieser Frist bestätigte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen neuen Fall. Das bedeutet, dass der Ebola-Ausbruch nicht wie erhofft am Montag für beendet erklärt werden kann, teilte die WHO am Freitagabend auf Twitter mit.
Dennoch wähnt man sich kurz vor dem Ziel. „Das wäre vor allem ein Erfolg der Bevölkerung im Ostkongo“, glaubt WHO-Sprecherin Margaret Harris. „Die Menschen wussten lange nicht, warum sie gerade diese Krankheit stoppen sollten – aber dann haben sie sich zusammengeschlossen.“
Ebola, 1976 im Kongo erstmals diagnostiziert, ist ein hämorrhagisches Fieber. Körpertemperaturen von über 38,5 Grad gehen mit schweren Blutungen der inneren Organe einher. Beim bislang größten Ausbruch starben zwischen 2014 und 2016 in Westafrika mehr als 11.300 Menschen. Unbehandelt ist Ebola fast immer tödlich.
Erfolg nach Umdenken
Und trotzdem war die Bevölkerung skeptisch, als im August 2018 im Ost-Kongo auf einmal ein Ebola-Großeinsatz startete. „Viele konnten sich einfach nicht erklären, warum all der Aufwand für diese eine Krankheit getrieben wurde, wo sie doch schon seit Jahrzehnten unter Krieg und Gewalt und anderen Krankheiten litten“, sagt Harris.
Hilfsorganisationen, die zur Bekämpfung von Ebola ins Land kamen, mussten umdenken, betont der Österreicher Marcus Bachmann, der für „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitet und den Ebola-Einsatz im Kongo mehrere Monate lang geleitet hat. „Die Menschen im Ebola-Gebiet waren von weiteren humanitären Krisen betroffen, etwa von der weltgrößten Masern-Epidemie.“
Für die Bevölkerung hätten die Masern allerhöchste Priorität gehabt. Kein Wunder: 350.000 Masern-Fälle im Ostkongo stehen heute 3.453 Ebola-Erkrankungen gegenüber, 2.264 Ebola-Tote 6.500 an Masern gestorbenen Kindern. „Aber in der Wahrnehmung und Bekämpfung, in der Mittel- und Ressourcenzuordnung waren Masern komplett untergeordnet, fast unsichtbar.“
Zusammenarbeit mit der Bevölkerung
Mindestens genauso schlimm war die anhaltende Gewalt. Während Ärzte in Schutzanzügen Ebola-Krankenstationen aufbauten, nahmen die Überfälle bewaffneter Gruppen auf Dörfer in der Region zu. Die zunehmende Gewalt behinderte die Arbeit medizinischer Teams und schürte zugleich Unmut in der Bevölkerung, die sich von der massiven internationalen Präsenz Schutz versprochen hatte. Im Spätsommer 2019 verübten Rebellen Angriffe auf zwei Ebola-Zentren. Zugleich mehrten sich Proteste. Im November setzte ein Mob ein UN-Büro in der besonders von Ebola betroffenen Stadt Beni in Brand.
Dass der Kampf gegen Ebola jetzt dennoch erfolgreich zu Ende zu gehen scheint, liegt wohl nicht nur an neuen Impfungen und Medikamenten, sondern auch daran, dass Organisationen nach eigenem Bekunden inzwischen viel enger mit der Bevölkerung zusammenarbeiten. „Wir haben Teams nur für die Kommunikation mit der Bevölkerung gebildet, und unsere Arbeit danach ausgerichtet“, sagt der Chef von Unicef in Kinshasa, Edouard Beigbeder.
Von Normalität noch weit entfernt
Bei „Ärzte ohne Grenzen“ wurden Mittel umgeschichtet. „Im ersten Jahr haben wir 30 Millionen Euro für Ebola aufgewendet, acht Millionen für Masern und 146 Millionen für allgemeine Gesundheitsversorgung“, rechnet Koordinator Bachmann vor.
Während die Ebola-Epidemie sich dem Ende zuneigt, hat die Corona-Pandemie den Kongo erreicht. „In den Ebola-Zonen ist man besser darauf vorbereitet als im Rest des Landes, es gab Kampagnen für Handhygiene und man hat Vorräte an Schutzkleidung“, sagt Unicef-Chef Beigbeder. Allerdings ist das Gesundheitssystem nach wie vor so schwach, dass jedes fünfte Kind nicht geimpft wird.
Masern, Malaria und Polio sind tödliche Gefahren. Zugleich warnt die WHO, dass Ebola-Überlebende weiter betreut werden müssen, um ein erneutes Aufflackern der Epidemie zu verhindern. Von Normalität ist der Kongo noch weit entfernt. (epd/mig) Aktuell Ausland
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