Antiziganismus
Mehr Straftaten gegen „Personen aus fremden Kulturkreisen“
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 78 antiziganistisch motivierte Straftaten registriert. Das ist ein Anstieg um 15 Prozent. Das teilt die Bundesregierung mit – und bezeichnet Sinti und Roma als „Personen aus fremden Kulturkreisen“.
Freitag, 24.04.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.04.2020, 16:04 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Zahl der antiziganistischen Straftaten in Deutschland steigt. 2019 wurden insgesamt 78 Straftaten gegen Sinti und Roma registriert, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die dem MiGAZIN vorliegt. Das waren fast 15 Prozent mehr als im Vorjahr mit 68 registrierten antiziganistischen Straftaten. Insgesamt 18 Personen wurden 2019 dabei verletzt (2018: sieben).
Nach Ministeriumsangaben handelt es sich um vorläufige Zahlen, Nachmeldungen seien möglich. Betroffenenverbände gehen zudem von einer noch höheren Dunkelziffer aus, da viele Übergriffe nicht gemeldet würden.
Auf die Frage, welche Anstrengungen die Sicherheitsbehörden unternehmen, damit Polizeibeamte einen möglichen antiziganistischen Charakter einer Straftat erkennen, verweist die Bundesregierung unter anderem auf Fortbildungsangebote. So gingen Polizeitrainer regelmäßig im Einsatz- und Situationstraining „auf den Umgang mit Personen aus fremden Kulturkreisen ein“, heißt es in dem Papier.
Personen aus fremden Kulturkreisen
Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, kritisiert die Wortwahl scharf: „Dass die Bundespolizei Sinti und Roma, 500 Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland, immer noch als ‚Personen aus fremden Kulturkreisen‘ betrachtet, ist beschämend und empörend. Wer noch einen Beweis für den Sensibilisierungsbedarf der Polizei brauchte, hat ihn hier. Mit so einem dummen Gerede wird Antiziganismus nicht bekämpft, sondern geradezu noch gefördert“, erklärt Jelpke.
Sinti und Roma gehörten zu den meistgehassten Minderheiten in Deutschland und Europa. „Das macht die Bekämpfung antiziganistischer Straftaten zu einer langfristigen und schwierigen Aufgabe – und hier zeigt zumindest die Bundespolizei ein sträfliches Desinteresse. Sie will im Prinzip alles beim Alten lassen und zeigt keinerlei Engagement, die Polizeibeamten stärker zu sensibilisieren. Es muss endlich in die Köpfe hinein: Sinti und Roma gehören zu Deutschland und Europa – ohne Wenn und Aber!“, so Jelpke.
Erstmals auch zwei versuchte Tötungen
Unter den im vergangenen Jahr registrierten antiziganistischen Straftaten befinden sich nach Angaben der Linksfraktion erstmals auch zwei versuchte Tötungen. Hinzu kämen sechs Körperverletzungen mit insgesamt 18 Verletzten. Rund 40 Prozent der erfassten Delikte fielen demnach unter den Straftatbestand der Volksverhetzung, rund 26 Prozent unter den der Beleidigung.
Das Bundesinnenministerium rechnet für 2019 fast alle erfassten Straftaten (93,5 Prozent) dem Phänomenbereich „rechts“ zu. Das gilt auch für die beiden versuchten Tötungen. Zwei Delikte konnten die Behörden demnach bislang nicht zuordnen. Drei Fälle werden dem Phänomenbereich „Ausländische Ideologie“ zugeordnet. Insgesamt seien bundesweit 54 Tatverdächtige ermittelt worden, heißt es in der Antwort des Ministeriums. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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