Konzepte liegen vor
Corona-Flickenteppich bei Gottesdiensten und beim Muezzinruf
Bundesländer nehmen auch bei Gottesdiensten in der Corona-Zeit eigene Wege. Sechs Länder erlauben sie schon oder bald, während mit der Bundesregierung noch über Konzepte geredet wird. Einen Flickenteppich gibt es auch beim muslimischen Muezzinruf.
Montag, 27.04.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.04.2020, 23:57 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Immer mehr Bundesländer wollen zumindest schon bald wieder Gottesdienste erlauben, während die Bundesregierung eigentlich noch an Konzepten dafür arbeitet. Am Freitag entschieden Bayern und Brandenburg, Religionsgemeinschaften ab 4. Mai wieder Versammlungen unter Infektionsschutzauflagen zu erlauben. Damit sind in sechs Bundesländern bereits jetzt oder schon bald wieder möglich.
In Brandenburg dürfen maximal 50 Personen an den Versammlungen teilnehmen. Die Veranstalter müssten dabei sicherstellen, dass die Hygienestandards eingehalten werden, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Sein Bundesland hat damit die gleiche Regelung erlassen wie Berlin. Glaube und Gemeinschaft stärke die Menschen – besonders in herausfordernden Zeiten, begründete Bayerns Staatsminister Florian Herrmann (CSU) die Entscheidung, die er nach einer Telefonkonferenz mit dem Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, und den Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder bekanntgab.
Gottesdienst-Flickenteppich
Dort wurden die Konzepte über Gottesdienste während der Corona-Pandemie beraten, die die Religionsgemeinschaften in dieser Woche beim Innenministerium eingereicht hatten. Ziel ist, diese Empfehlungen im Corona-Kabinett und dann bei den Beratungen der Regierungschefs von Bund und Ländern zu beraten, um ein möglichst einheitliches Vorgehen zu ermöglichen.
Schon jetzt gibt es aber einen Flickenteppich: In Nordrhein-Westfalen sollen religiöse Versammlungen ab dem 1. Mai wieder möglich sein. In Sachsen können schon seit Montag unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln Gottesdienste gefeiert werden, allerdings nur mit maximal 15 Teilnehmern. In Thüringen sind religiöse Versammlungen ab diesem Wochenende möglich. Überall gelten dafür Schutzmaßnahmen.
Religionsgemeinschaften legen Konzept vor
Die Konzepte der Religionsgemeinschaften selbst sehen vor allem Abstands- und Hygieneregeln vor. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) schlägt in seinem Konzept, das dem MiGAZIN vorliegt, vor, die Moscheen schrittweise zu öffnen und die Teilnehmerzahl von der Größe der Räumlichkeiten abhängig zu machen. Außerdem sollen zunächst nur bestimmte Gemeinschaftsgebete gemeinsam verrichtet werden, um Erfahrung mit der neuen Situation zu sammeln. Zudem sollen Desinfektionsmittel bereitgestellt werden, Besucher sollen Masken tragen und eigene Gebetsteppiche mitbringen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schlägt in ihrem Konzept vor, beim Abendmahl Handschuhe zu tragen und Wein, wenn überhaupt, in Einzelkelchen auszugeben. Zudem wird empfohlen, Gottesdienste nur in Kirchen oder im Freien, nicht in kleineren Räumen zu feiern. Ähnliches sieht auch das Konzept der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vor. Der Zugang zu den Sonntagsmessen soll je nach Größe des Kirchenraums begrenzt werden. Der Zentralrat der Juden sieht in seinem Konzept zusätzlich Teilnehmerlisten vor.
Flickenteppich auch beim Gebetsruf
Einen Flickenteppich gibt es auch beim muslimischen Gebetsruf, der seit Beginn der Corona-Beschränkungen in manchen Städten und Gemeinden erlaubt ist. Nach dem Vorbild einer Reihe anderer deutscher Städte hat zuletzt auch Frankfurt am Main örtlichen Moscheegemeinden gestattet, wegen der Coronavirus-Pandemie mit Lautsprechern zum Gebet aufzurufen. Die Erlaubnis gelte für die Dauer des islamischen Fastenmonats Ramadan, teilte das zuständige Dezernat für Integration und Bildung mit. Im Gegensatz zu anderen Städten, in denen der Muezzinruf einmal täglich zu hören sein wird, soll dies in Frankfurt nur einmal pro Woche an Freitagen geschehen.
Die Frankfurter sollten dem Muezzinruf ebenso wie dem Glockenläuten der Kirchen „mit jenem Respekt zu begegnen, den Religionsfreiheit in unserer Demokratie immer beanspruchen kann“, erklärte die Integrationsdezernentin Sylvia Weber (SPD). Die Verantwortlichen in den Moscheegemeinden hätten zugesagt, die in der Pandemiesituation geltenden Versammlungsauflagen und die berechtigten Interessen der unmittelbaren Nachbarschaft zu beachten.
Merkel: Beratungen über Lockerungen erst am 6. Mai
Die Konzepte könnten nun schon bald zum Tragen kommen, obwohl es noch keinen Bund-Länder-Beschluss gibt. Der war ursprünglich für die Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am 30. April geplant. Merkel deutete am Donnerstagabend allerdings an, dass über weitere Lockerungen auch erst am 6. Mai entschieden werden könnte. Was das für religiöse Veranstaltungen bedeutet, blieb offen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet betont, dass ein Verbot von Gottesdiensten eine „massive Einschränkung der Grundrechte“ sei. „Mir, wie vielen anderen Menschen, fehlt der Gottesdienst, die Gemeinsamkeit im Glaube“, betonte der Katholik. In enger Abstimmung mit den Kirchen und Religionsvertretern habe die Landesregierung die Einschränkung besprochen. „Ich bin froh, dass ab Mai unter strengen Schutzvorschriften das gemeinschaftliche religiöse Leben behutsam wiederentsteht“, sagte der CDU-Politiker.
Muslime für einheitliche Regelung
Auch der Koordinationsrat der Muslime plädiert für eine bundesweit einheitlichen Regelung. „Wir haben uns als islamische Bundesverbände darauf geeinigt, dass wir die Moscheen auf keinen Fall vor Anfang Mai öffnen, selbst wenn es in einigen Bundesländern rechtlich bereits möglich wäre“, sagte Sprecher Burhan Kesici der „Welt“. „Wir wollen ein bundeseinheitliches Vorgehen. Deswegen warten wir die Gespräche zwischen Bund und Ländern am 30. April ab.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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