Regierung prüft
Beratungsstellen fordern mehr Entschädigung für Opfer rechter Gewalt
Opfer rechter Gewalt können Entschädigung vom Bund erhalten. Sachschäden werden aber nicht ersetzt. Betroffene fordern eine Ausweitung. Den Angreifern gehe es schließlich auch um die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz. Die Bundesregierung stellt Hilfe in Aussicht.
Mittwoch, 13.05.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.05.2020, 17:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke (SPD), setzt sich für eine Ausweitung der finanziellen Hilfen für Opfer von Terrorismus und Extremismus ein. „Wir brauchen schnelle finanzielle Hilfen, um auch bei materiellen Schäden die größte Not der Betroffenen lindern zu können“, sagte Franke am Dienstag dem „Evangelischen Pressedienst“ in Berlin. Die sogenannten Härteleistungen des Bundes sehen den Ersatz bei Sachschäden bislang nicht vor. Es werde nun geprüft, wie der Bund auch dabei helfen könne, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums.
Zuvor hatten Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) in einem Brief zu einer Ausweitung der Entschädigungszahlungen für Betroffene rassistischer Angriffe aufgefordert. Die Härteleistungen des Bundes würden bislang nicht für zerstörtes Inventar, Renovierungskosten oder existenzbedrohende Einnahmeverluste gewährt, heißt es darin.
Der Brief verweist auf den Döner-Imbiss in Halle und die Shisha-Bar in Hanau, deren Weiterbetrieb nach den dortigen Anschlägen schwierig oder gar nicht möglich sei. „Rassistisch und antisemitisch motivierte Gewalt will auch die wirtschaftliche Existenz der Angegriffenen und ihrer Familien vernichten und sie aus den Unternehmens- und Gewerbestrukturen vor Ort verdrängen“, heißt es in dem Schreiben, das auch von Bundestags- und Landtagsabgeordneten von SPD, Grünen und Linken und der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen des NSU-Terrors, Barbara John, unterzeichnet wurde.
Tatort: Geschäft
„Die schrecklichen Terroranschläge von Halle und Hanau haben die Opfer mitten aus dem Leben gerissen“, sagte der Opferbeauftragte Franke. Aus vielen Gesprächen wisse er, wie groß die Not der Ladenbesitzer sei, deren Geschäfte zu Tatorten wurden. Der drohende Verlust der wirtschaftlichen Existenz durch Sachschäden, ausbleibende Einnahmen und fehlende Perspektiven mache die persönliche Situation noch schlimmer als ohnehin schon, sagte Franke.
Anträge für Härtleistungen des Bundes werden vom Bundesamt für Justiz bearbeitet. Nach dem rassistisch motivierten Anschlag im Februar in Hanau gingen nach Angaben des Bundesjustizministeriums 63 Anträge ein. 53 seien positiv beschieden und Hilfen in Höhe von rund 1,04 Millionen Euro ausbezahlt worden.
1.347 rechtsextreme Angriffe
Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt stellten am Dienstag in Berlin auch ihre Jahresstatistik für 2018 vor. Demnach wurden in acht Bundesländern 1.347 rechtsextrem, rassistisch oder antisemitisch motivierte Angriffe gezählt. Das sei zwar ein Rückgang um zehn Prozent, sagte die Geschäftsführerin der Opferperspektive Brandenburg, Judith Porath. Sie sprach dennoch von einer verschärften Bedrohungslage und verwies dabei auf die drei Todesopfer infolge rechter Anschläge im vergangenen Jahr – den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die beiden Opfer des Attentäters, der im Oktober 2019 die Synagoge in Halle angegriffen hatte.
Die Statistik der Beratungsstellen listet nur Taten in den Bundesländern auf, in denen ein unabhängiges Monitoring durch Organisationen stattfindet. Das ist in Brandenburg, Berlin, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein der Fall. Die offizielle Statistik politisch motivierter Kriminalität des Bundeskriminalamtes listete 2018 bundesweit 1.156 Gewalttaten von Rechtsextremisten auf. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wollte am Dienstag die Statistik für 2019 vorstellen. Der Termin wurde kurzfristig abgesagt. (epd/mig) Leitartikel Politik
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