Ausbeuterische Strukturen
Ausländische Arbeiter in der Fleischindustrie
Die Corona-Ausbrüche in der Fleischindustrie lenken den Blick auf die Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeiter in der Branche. Arbeitsminister Heil traf sich mit seiner rumänischen Amtskollegin. Am Mittwoch will das Kabinett über mehr Schutz für die Arbeiter beraten.
Mittwoch, 20.05.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.05.2020, 0:25 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Einen Tag vor Entscheidungen des Bundeskabinetts über einen besseren Schutz osteuropäischer Arbeiter in der Fleischindustrie hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seinen Willen bekräftigt, nicht allein die Kontrollen zu verschärfen. „Wir brauchen eine umfassende Lösung, das betrifft auch die Werkverträge“, sagt Heil am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit seiner rumänischen Amtskollegin Violeta Alexandru. Er sei dazu noch in konstruktiven Gesprächen mit der Union, erklärte Heil.
Die Koalition hatte Heils Vorschläge am Montag nicht beschlossen, sondern die Entscheidung über einen besseren Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Fleischindustrie auf diesen Mittwoch verschoben. Heil sagte, man habe es zu tun mit einer Mischung aus „Lohndrückerei, fehlendem Arbeitsschutz und in Teilen auch ausbeuterischen Strukturen“. Er kritisierte das System der Subunternehmen als „organisierte Verantwortungslosigkeit“. Mehr Kontrollen lägen in der Verantwortlichkeit der Länder, aber der Bund stehe in der Verantwortung, den Rechtsrahmen zu ändern.
Engere Zusammenarbeit
Alexandru und Heil vereinbarten eine engere Zusammenarbeit zum Schutz der Arbeiter. Die Umsetzung soll von einer Arbeitsgruppe beider Ministerien begleitet werden. Die Corona-Krise habe deutlich gemacht, dass zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssten, erklärten beide Seiten. Alexandru sagte, ihren Landleuten müssten die Arbeitsverträge vorliegen, damit sie die Bedingungen kennen, bevor sie nach Deutschland kommen. Das sei häufig nicht der Fall.
Was die Kontrollen angehen, vertraue sie auf die deutschen Behörden. Nicht überall seien die Arbeitsbedingungen schlecht, oft arbeite man seit Jahren gut zusammen – aber es gebe auch Probleme, die in der Krise besonders deutlich geworden seien. Alexandru hatte sich auch mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) getroffen.
Klöckner für härteres Vorgehen
Das Elend von Osteuropäern in der Fleischindustrie ist durch massive Corona-Ausbrüche in Firmen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Gewerkschaften und Kirchen kritisieren seit langem die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und Wuchermieten in heruntergekommenen Massenunterkünften. Die vielfach aus Rumänien und Polen stammenden Arbeiter sind in der Regel bei Subunternehmen beschäftigt.
Klöckner sprach sich für ein härteres Vorgehen bei Verstößen gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz aus. Den Unternehmen sollten unter anderem höhere Bußgelder angedroht und eine verbindliche Verantwortung für die Arbeitskräfte auferlegt werden, sagte Klöckner der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag): „Das Rausreden, Subunternehmen seien verantwortlich, man wisse nicht, wie die ausländischen Arbeitskräfte untergebracht seien und der Verweis, dass Inhaber von Werkverträgen selbst für alles verantwortlich seien, das überzeugt und beschwichtigt doch nicht.“ Es führe vielmehr dazu, dass solche Verträge infrage gestellt würden.
Betrügereien beim Lohn
Bauernpräsident Joachim Rukwied mahnte eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft an. Die Erzeuger müssten höhere Preise bekommen, sagte er der Zeitung. Die fleischverarbeitenden Betriebe müssten in Deutschland gehalten werden, um weite Wege zu Schlachthöfen zulasten des Tierwohls zu vermeiden.
Der Münsteraner Arbeitsrechtler Peter Schüren sagte dem „Evangelischen Pressedienst“, das Problem seien die Betrügereien beim Lohn und die schlechte Unterbringung. „Das muss und kann man ändern“, sagte Schüren. Er forderte eine gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung mit Sanktionen für Unternehmen sowie einen Mindestlohn von zwölf Euro die Stunde. (epd/mig) Leitartikel Politik
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Es ist ja SEHR begrüßenswert, dass scheinbar endlich etwas gegen die Mißstände in der Fleischindustrie gemacht werden soll – und hoffentlich auch WIRD. Und wenn dann auch noch das Tierwohl berücksichtigt wird, hätte Corona sogar noch „gute Effekte“.
Besser spät als nie – aber man muss auch ganz klar kritisieren bzw. fragen: Wo waren all die Politiker, die jetzt auf einmal von unhaltbaren Zuständen sprechen in der Zeit ab 1973 bis heute – in Deutschland scheinbar nicht. Diese Mißstände sind ja nicht neu und wurden schon x-mal in der Öffentlichkeit diskutiert und in Polit-Magazinen veröffentlicht.
Leider scheint es so zu sein, daß jetzt,wo es um unsere eigene Haut geht, auf einmal etwas gemacht werden soll.
Lassen wir es dabei und hoffen, daß wirklich etwas geändert wird und die Lobby-Verbände die Politik nicht am runden Tusch wieder „weichklopfen“ und letztlich nur irgendwelche „Wischiwaschi-Vereinbarungen“ übrig bleiben.
Auf der Homepage des NDR war zu lesen, daß die Fleischindustrie mit einer Verlagerung der Schlachthöfe z.B. nach Osteuropa droht. Allein dafür hätten sie schon eine „Klatsche“ verdient, denn das hätte ja auch zur Folge, daß die Tiere aus unseren Agrarfabriken dann demnächst bis Osteuropa transportiert werden sollen. Irgendwie scheinen es die Herren der Fleischindustrie immer noch nicht kapiert zu haben. Traurig!
Und darauf kann es darauf nur eine Antwort geben: Reisende soll man nicht aufhalten. Helfen beim Koffer packen … und tschüß. Dann sollen sie ihr „Zeug“ aber auch anderswo verkaufen und nicht mehr bei uns.
Wir werden trotzdem satt!!!
Und natürlich muss man den Discountern auch auf die Finger hauen. Deren Preispolitik ist mindestens so verwerflich wie der Umgang mit den Arbeitnehmern und den Tieren.